Einleitung

Eine hohe Analgesiequalität und eine damit einhergehende hohe Patientenzufriedenheit sind maßgebend für eine frühe Mobilisierung, schnellere Entlassbarkeit und schließlich Wiederherstellung der Autonomie der Patienten im Sinne moderner „Fast-track“-Konzepte [32, 61]. Eine unzureichende postoperative Schmerzkontrolle hingegen führt zu einer vermehrten Entstehung chronischer Schmerzsyndrome, einer Zunahme thromboembolischer bzw. septischer Ereignisse, einer gesteigerten Mortalität von Hochrisikopatienten und letztendlich einer Erhöhung der Gesundheitskosten [8].

Lange Zeit galten Opioide aufgrund ihres raschen Wirkeintritts und ihrer vielseitigen Applikationsmöglichkeiten (oral, intravenös, transdermal, rektal etc.) als das Schlüsselelement zum Erlangen adäquater Schmerzfreiheit [19]. Doch schon in einer moderaten Dosierung sind diese mit einem signifikant erhöhten Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen verbunden [3, 19]. Um dieses Risiko zu minimieren, hat sich beispielsweise die American Society of Anesthesiologists (ASA) für die Anwendung von opioidsparenden multimodalen Analgesieregimen ausgesprochen [3], nicht zuletzt auch in Anbetracht der Diskussion um die aktuelle „Opioidendemie“ in den USA. Der additive und synergetische Effekt oraler und intravenöser Nichtopioidanalgetika kann dazu beitragen, die erforderliche Opioiddosis zu reduzieren und somit die Rate unerwünschter Nebenwirkungen wie respiratorische Depression, Übelkeit, Erbrechen und Obstipation zu verringern [56, 58]. Trotz alledem birgt auch der Einsatz von Nichtopioidanalgetika eigene Risiken und Limitationen, wie beispielsweise gastrointestinale Blutungen und Nierenschädigung [19]. Multimodale Therapiekonzepte müssen demnach individuell an das Risikoprofil, die bestehende Medikation und auch den Schmerzcharakter des Patienten angepasst werden [55]. Zudem ist bei der Umsetzung häufig eine gute Compliance des Patienten Voraussetzung.

Ein zusätzlicher Bestandteil dieses multimodalen Ansatzes ist der Einsatz von Lokalanästhetika (LA) für Wundinfiltrationen, periartikuläre Infiltrationen, periphere Nerven- bzw. Plexusblockaden oder aber rückenmarknahe Anästhesien [31]. Sie blockieren durch reversible Hemmung von spannungsabhängigen Natriumkanälen die Erregung neuronaler Membranen, wodurch eine örtlich und zeitlich begrenzte Ausschaltung der Schmerzempfindung erreicht werden kann [2]. Durch diesen Mechanismus kann im Vergleich zur systemischen Opioidtherapie eine sehr gezielte und nebenwirkungsarme Schmerzlinderung erlangt werden.

Trotz ihrer hervorragenden analgetischen Effektivität besitzen Lokalanästhetika nach einzeitiger Applikation („Single-shot-Blockaden“) nur eine relativ kurze Wirkdauer von maximal 12 h [1, 44], die durch die Kombination mit verschiedenen Adjuvanzien auf bis zu 24 h verlängert werden kann [70, 76]. Deren Effekt der Wirkzeitverlängerung beruht auf einer lokalen Vasokonstriktion, der direkten Wirkung auf periphere Nerven oder der Initiierung systemischer antiinflammatorischer Prozesse [12]. In einer aktuellen Netzwerkmetaanalyse untersuchten Xuan et al. den Einfluss 10 verschiedener Adjuvanzien auf die analgetische Wirkdauer von mittel- bis langwirksamen Lokalanästhetika nach peripherer Nervenblockade. Mittels der Adjuvanzien Dexmedetomidin, Clonidin und insbesondere Dexamethason konnten sowohl die sensorische und motorische Blockade als auch die Dauer bis zu einem erneuten Analgetikumbedarf um 2–4 h verlängert werden [71]. Dem gegenüber steht der Einsatz von Katheterverfahren, deren Prinzip der Wirkzeitverlängerung auf einer kontinuierlichen Infusion der lokalen Anästhetika beruht [30]. Die Anlage von Schmerzkathetern und deren Versorgung durch den Akutschmerzdienst sind jedoch zeit- und arbeitsaufwendig. Zusätzlich bergen sie das Risiko von technischen Fehlern, Dislokationen und Infektionen durch die längere Liegedauer von Fremdmaterial [40, 42]. Mit dem Ziel, die Vorteile einer Einzelinjektion mit der Wirkdauer einer kontinuierlichen Infusion zu vereinen, sind innovative „Prolonged-release“-Lokalanästhetika-Formulierungen mit möglichst langer Wirkdauer in den Fokus der Wissenschaft getreten [62, 63]. So konnten u. a. liposomale Trägersysteme entwickelt und in Form von liposomalem Bupivacain zum klinischen Einsatz gebracht werden [76]. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, den derzeitigen Forschungsstand zu den Wirkprinzipen sowie zur klinischen Effektivität von liposomalem Bupivacain umfassend darzustellen.

Hintergrund zum liposomalen Bupivacain

Liposomen sind mikroskopisch kleine Strukturen und bestehen aus zahlreichen Vesikeln, deren wasserhaltiger Kern von einer Phospholipiddoppelschicht umgeben ist [39]. Diese sind in der Lage, hydrophile Substanzen innerhalb der Vesikel bzw. fettlösliche Substanzen innerhalb der Membranen zu speichern [45]. Man unterscheidet unilamelläre, multilamelläre und multivesikuläre Liposomen. Multivesikuläre Liposomen zeichnen sich durch eine nichtkonzentrische Anordnung der Lipiddoppelschichten aus, was zu einer erhöhten Stabilität und langsameren Freisetzung der von ihnen transportierten Wirkstoffe führt. Durch interne Degradation kommt es zu deren Umverteilung, wobei die letztendliche Freisetzung über einen Bruch in der äußeren Membran erfolgt [39, 48]. Dieser Mechanismus führt zu einer Persistenz der Plasmakonzentration über einen längeren Zeitraum, was theoretisch als Ausdruck einer prolongierten Wirkdauer gewertet werden kann.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung eines multivesikulären Liposoms, beladen mit dem Wirkstoff Bupivacain. (Eigene Abbildung B. Otremba, modifiziert nach Yingchoncharoen et al. [73])

Bei liposomalem Bupivacain handelt es sich um multivesikuläre Liposomen mit einem Durchmesser von 10–30 μm, die in ihren wasserhaltigen Kammern mit Bupivacain-HCl beladen sind (DepoFoam©-Technologie; Fa. Pacira Pharmaceuticals, Parsippany, NJ, USA). Ihr Aufbau erinnert an eine Honigwabe (Abb. 1; [39, 59, 60]).

Liposomales Bupivacain wird in 10-ml- und 20-ml-Ampullen mit einer Konzentration von 13,3 mg/ml hergestellt. Derzeit wird eine Einzeldosisverabreichung empfohlen, die 266 mg (20 ml unverdünntes Arzneimittel) der aktiven Komponente Bupivacain-HCl nicht überschreiten sollte. Bei einer peripheren Blockade des Plexus brachialis sollte die Dosis halbiert werden (133 mg) [54]. Etwa 3 % des lokalen Anästhetikums liegen in freier Form vor [4, 68]. Dadurch lässt sich nach einzeitiger Infiltration ein biphasisches Konzentrationsprofil beobachten. Ein erster Spitzenspiegel tritt etwa 1 h nach der Injektion auf, verursacht durch den kleinen Anteil an frei vorliegendem Bupivacain-HCl, der vom Körper gleich nach der Applikation des Medikaments absorbiert wird. Danach folgt eine Verzögerungsphase, bis schließlich 12–36 h später der zweite Peak durch die graduierte Freisetzung des in den Vesikeln gespeicherten Bupivacains ausgelöst wird [23]. Dem Postulat folgend, dass erhöhte Plasmaspiegel mit einer verlängerten Wirkdauer korrelieren, sollte liposomales Bupivacain somit bis zu 72 h wirken (Abb. 2; [4, 23, 69]). Anfängliche Studien mit gesunden Freiwilligen zeigten trotz eines 4‑fachen Dosisunterschieds der subkutan verabreichten Dosen (100 mg Bupivacain-HCl vs. 400 mg liposomales Bupivacain) eine ähnliche Spitzenplasmakonzentration, die weit unter der systemisch toxischen Schwellenkonzentration im Blutplasma von 2–4 μg/ml lag. Entscheidend war die Beobachtung, dass mithilfe des liposomalen Bupivacains eine 10-fache Verlängerung der terminalen Halbwertszeit im Vergleich zum Bupivacain-HCl erreicht werden konnte. Dies resultierte in einer verlängerten Plasmakonzentration bis zu 96 h nach der Injektion [13].

Abb. 2
figure 2

Mittlere Bupivacain-Plasma-Konzentration im Zeitverlauf nach Gabe von liposomalem Bupivacain (106, 266, 399 und 532 mg) und Bupivacain-HCl (100 mg). (Nach Balocco et al. [4], Hu et al. [23] und Zink et al. [76])

Sicherheitsprofil des liposomalen Bupivacains

Bupivacain wird in herkömmlicher Formulierung nach der Applikation systemisch aufgenommen, wobei die Rate der systemischen Resorption von der zugeführten Gesamtdosis, der Art der Verabreichung und der Vaskularisierung am Ort der Injektion abhängig ist [9]. Bei hohen Plasmakonzentrationen des hochpotenten und lipidlöslichen Bupivacains kann es zum Auftreten neurologischer (visuelle Beeinträchtigung, Parästhesien, Sprachstörungen etc.) und (kardio-)myotoxischer Komplikationen kommen [4, 34, 66]. In den letzten Jahren wurden deshalb einige Studien zur Untersuchung des Sicherheitsprofils des liposomalen Bupivacains durchgeführt. Bereits einige präklinische Tierversuche zeigten keine erhöhte lokale und systemische Toxizität nach einer Einzelinjektion von liposomalem Bupivacain im Bereich des Plexus brachialis [59]. In einer Studie, die liposomales Bupivacain, 25 mg/kgKG (1,33 %), mit Bupivacain-HCl, 10 mg/kgKG (0,5 %) oder 25 mg/kgKG (1,31 %), nach einer Blockade des N. ischiadicus verglich, konnte weder ein Unterschied hinsichtlich der lokalen Myotoxizität festgestellt werden, noch traten systemische neurotoxische Ereignisse in einer der beiden Gruppen auf [4, 41]. Zur Untersuchung der Kardiotoxizität des liposomalen Bupivacains führten Naseem et al. eine randomisierte, doppelt verblindete Cross-over-Studie durch, um den Effekt einer Einzelinjektion liposomalen Bupivacains auf die QT-Zeit zu untersuchen. Auch bei Verabreichung des fast Dreifachen der zugelassenen Dosis von liposomalem Bupivacain (750 mg vs. 266 mg) kam es bei keinem Teilnehmer der Studie zu einer Überschreitung der maximalen QT-Zeit von 500 ms [47].

Im Rahmen von Wundinfiltrationen spielt auch das mögliche Auftreten von Wundinfektionen eine wichtige Rolle. Baxter et al. werteten in diesem Kontext 10 randomisierte, doppelt verblindete klinische Studien aus und kamen zu dem Schluss, dass liposomales Bupivacain die postoperative Wundheilung nicht negativ beeinflusst [5].

Die häufigsten Nebenwirkungen unter der Anwendung von liposomalem Bupivacain wurden in einer Übersichtsarbeit von Hu et al. zusammengefasst. Demnach traten eher unspezifische Symptome wie Übelkeit, Fieber, Obstipation, periphere Ödembildung, Hypotension und Erbrechen auf [23].

Aktuelle Zulassung und Anwendungsempfehlungen

Liposomales Bupivacain wurde 2011 von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zur lokalen Wundinfiltration für die postoperative Schmerztherapie zugelassen und wird unter dem Handelsnamen Exparel© (Fa. Pacira Pharmaceuticals) vermarktet. 2015 wurde die Zulassung auf die Anwendung bei „Transversus-abdominis-plane“(TAP)-Blockaden und im April 2018 auf die Anwendung bei interskalenären Blockaden des Plexus brachialis erweitert [17, 67]. Im Jahr 2020 wurde die Anwendung von liposomalem Bupivacain durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für Blockaden des Plexus brachialis und des N. femoralis sowie für Feldblöcke (Wundinfiltration) auch innerhalb Europas genehmigt ([15]; Tab. 1).

2014 veröffentlichte Kharitonov eine Übersichtsarbeit zur Kompatibilität des liposomalen Bupivacains mit anderen Substanzen und empfahl, dass eine Verdünnung auf eine minimale Konzentration von 0,89 mg/ml (i.e. 1:14-Verdünnung) nur mit physiologischer Kochsalzlösung oder Ringer-Lactat-Lösung erfolgen sollte. Hypotone Lösungen wie steriles Wasser können zu einer Zerstörung der liposomalen Partikel führen. Aufgrund des geringen Anteils des freien Wirkstoffs in der liposomalen Formulierung wird zudem die Koinjektion einer Dosis Bupivacain-HCl empfohlen, um eine rasch einsetzende Analgesie zu gewährleisten. Dabei sollte ein Mischverhältnis von 1:2 (Bupivacain-HCl zu Bupivacain liposomal) nicht überschritten werden, um eine Beeinflussung der pharmakokinetischen Eigenschaften der einzelnen Medikamente zu vermeiden. Aufgrund des additiven Charakters der systemisch-toxischen Wirkung sollte auf die Gabe eines zusätzlichen Lokalanästhetikums innerhalb der ersten 96 h verzichtet werden [33, 54].

Der Hersteller (Fa. Pacira Pharmaceuticals) empfiehlt die Verabreichung der Suspension mit Nadeln eines Durchmessers von mindestens 25 G, um die strukturelle Integrität der liposomalen Partikel zu erhalten [54].

Neben den genannten Prinzipien für die Verabreichung des liposomalen Bupivacains müssen auch individuelle Patientenfaktoren wie Alter, Gewicht und Organfunktion berücksichtigt werden [75]. Das Amidlokalanästhetikum Bupivacain wird in der Leber durch Zytochrom P450 metabolisiert und zu geringen Anteilen über die Nieren eliminiert [6, 18]. Im Falle einer schweren hepatischen oder renalen Dysfunktion bestehen so die Gefahr der Akkumulation des Medikaments und folglich das Risiko einer systemischen Intoxikation [74, 77], weshalb das liposomale Bupivacain bei dieser Patientengruppe nur unter einem strengen Monitoring eingesetzt werden sollte [54]. Darüber hinaus führten Onel et al. eine pharmakokinetische Studie zum liposomalen Bupivacain bei Patienten mit leicht eingeschränkter Leberfunktion durch. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass sich trotz höherer Plasmakonzentration des Bupivacains in der Gruppe der Patienten mit moderater hepatischer Dysfunktion im Vergleich zur Patientengruppe mit normaler Leberfunktion die Konzentration-Zeit-Diagramme nur marginal unterschieden [51]. Der geringe Unterschied zwischen beiden Gruppen führte letztendlich dazu, dass die Richtlinien der FDA keine Dosisanpassung vorsehen [11].

Nachdem eine aktuelle multizentrische Studie [65] die Sicherheit des liposomalen Bupivacains nach lokaler Infiltration bei Kindern zwischen 6 und 17 Jahren nachweisen konnte, erfolgte eine Anpassung der FDA-Richtlinien im März 2021 [52, 53].

Für Kinder unter 6 Jahren und Schwangere liegen derzeit keine Zulassungsstudien vor. Ebenso ausgenommen von der Zulassung ist die Anwendung des liposomalen Bupivacains in der Geburtshilfe. Unter der Anwendung von Bupivacain-HCl für parazervikale Nervenblockaden kam es zu schweren fetalen Bradykardien bis hin zum Tod [15, 49, 67].

Tab. 1 Anwendungsbereiche des liposomalen Bupivacains mit FDA- und EMA-Zulassung. (Modifiziert nach Prabhakar et al. [56])

Klinische Studien zu Wirksamkeit und Bewertung

In den letzten Jahren ließ sich ein großer Zuwachs an prospektiven randomisierten, kontrollierten Studien zum liposomalen Bupivacain verzeichnen. Besonders interessant im Hinblick auf die Anwendung der neuen liposomalen Form sind v. a. jene Studien, deren Ergebnisse auf dem Vergleich mit herkömmlichen Lokalanästhetika (Lidocain, Bupivacain, Ropivacain etc.) beruhen. Anders als mit einem Placebo kann durch diese Vergleichsgruppe eine Aussage darüber getroffen werden, ob sich das liposomale Bupivacain in der Routineanwendung etablieren kann oder nicht [29]. Im Fokus der Untersuchungen lagen dabei neben dem von den Patienten geäußerten postoperativen Schmerzniveau auch der Einfluss der liposomalen Form auf den postoperativen Opioidbedarf sowie spezifische Nebenwirkungen in den ersten Tagen nach der Injektion.

Auch wenn die Ergebnisse oben genannter präklinischer Studien zu den pharmakokinetischen Eigenschaften des liposomalen Bupivacains auf den ersten Blick vielversprechend klingen, ergeben klinische Effektivitätsstudien ein sehr heterogenes Bild.

Liposomales Bupivacain in der Lokalanästhesie

Initial wurde die Zulassung des liposomalen Bupivacains von der FDA auf lokale Anästhesieverfahren wie lokale (Wund‑)Infiltrationen bzw. periartikuläre Injektionen begrenzt. Zu diesen Anwendungsbereichen wurden bislang insbesondere in den Gebieten der Orthopädie und Gynäkologie einige prospektive randomisierte, kontrollierte Studien publiziert.

Lokale (Wund‑)Infiltration

Liposomales Bupivacain und Bupivacain-HCl zeigen beide in diesen Studien eine vergleichbare Dosis-Wirkung-Beziehung, zumal höhere Dosierungen bis zu einem gewissen Grad mit einer Zunahme der analgetischen Wirksamkeit einhergehen [7]. Im direkten Vergleich mit herkömmlichem Bupivacain erwies sich liposomales Bupivacain bei lokaler Wundinfiltration nach primärer bilateraler subpektoraler Brustvergrößerung [46], Hämorrhoidektomie [20] bzw. dem Einsatz von Zahnimplantaten [28] als analgetisch überlegen. Allerdings waren die Unterschiede in all diesen Studien nur dann signifikant, wenn Maximaldosierungen (266 mg) des liposomalen Bupivacains mit Dosen des konventionellen Bupivacains verglichen wurden, die weit unter den von der FDA zugelassenen Dosierungen für Bupivacain-HCl (175 mg ohne bzw. 225 mg in Kombination mit Epinephrin) lagen [22, 29, 50].

Dieser Zusammenhang wird durch die Ergebnisse prospektiver randomisierter Studien unterstrichen, die nach Gabe von 150 mg Bupivacain-HCl in der Kontrollgruppe – bezogen auf die Endpunkte „postoperativ geäußerte Schmerzintensität“ bzw. „postoperativer Opioidbedarf“ – keine statistisch signifikanten Unterschiede zur Interventionsgruppe aufzeigen konnten [35, 43]. Zu vergleichbaren Ergebnissen kamen Propst et al., die zur Fixation des sakrospinalen Ligaments nach einem Vaginalprolaps Lidocain in der Vergleichsgruppe verabreicht hatten [57].

Eben genannte Studien weisen jedoch aufgrund mangelnder Verblindung des Studienpersonals [35, 43] oder auch unklarer Randomisierung [35] relevante Verzerrungsrisiken auf, die in die Bewertung der Ergebnisse und deren Interpretation miteinbezogen werden müssen. Zudem erschwert die kombinierte Verabreichung der liposomalen Form und des herkömmlichen Bupivacain-HCl in der Versuchsgruppe die Beurteilung der analgetischen Wirksamkeit, die auf das liposomale Bupivacain alleine zurückgeführt werden kann [43, 57].

Periartikuläre Injektion

In den letzten Jahren wurden mehrere systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen zum Einsatz des liposomalen Bupivacains bei Gelenkersatzverfahren, insbesondere im Bereich des Schulter- und Kniegelenks, veröffentlicht. In diesen Arbeiten zeigte sich liposomales Bupivacain nach periartikulärer Injektion weder einem Placebo noch Bupivacain-HCl bzw. einem „Cocktail“ u. a. aus Ropivacain, Epinephrin, Ketorolac und Clonidin überlegen [37, 38, 72]. Die Tatsache, dass Studien mit unterschiedlichem Design [37, 64], unterschiedlichen Injektionstechniken, Endpunktmessungen oder auch unterschiedlichen Medikamentenkombinationen [38] und Anästhesieverfahren in der Kontrollgruppe [64] in die quantitative Analyse miteinbezogen wurden, erschwert allerdings deren Vergleichbarkeit [72]. Darüber hinaus variierte das Nachbeobachtungsintervall in den eingeschlossenen Studien oftmals stark und wich vom ursprünglich im Protokoll geplanten Zeitraum ab [38, 64].

Hussain et al. veröffentlichten kürzlich eine systematische Übersichtsarbeit mit anschließender Metaanalyse und schlossen hierfür nur randomisierte, kontrollierte Studien ein. Die Metaanalyse verglich die analgetischen Effekte von liposomalem Bupivacain und Bupivacain-HCl nach periartikulärer Injektion im Rahmen von Kniegelenkersatzverfahren. Primäre Endpunkte waren der kumulative Konsum oraler Morphinäquivalente und Unterschiede zwischen den vom Patienten geäußerten Schmerzen am zweiten postoperativen Tag. Insgesamt wurden die Daten von 1836 Patienten aus 17 Studien analysiert. Die Auswertungen ergaben keine signifikanten Unterschiede zwischen liposomalem Bupivacain und Bupivacain-HCl bezüglich der beiden primären Endpunkte. Auch konnte in der Gruppe der Patienten, die liposomales Bupivacain erhalten hatten, keine Reduktion opioidassoziierter Komplikationen, keine Verkürzung der Krankenhausaufenthaltsdauer oder eine Verringerung von unerwünschten Nebenwirkungen nachgewiesen werden [25].

Liposomales Bupivacain in der peripheren Regionalanästhesie

Periphere Nervenblockade

Zur Bewertung der liposomalen Form des Bupivacains nach interskalenärer Nervenblockade veröffentlichten Hattrup et al. 2020 eine doppelt verblindete, randomisierte kontrollierte Studie. Sie untersuchten den Einfluss der Zugabe von liposomalem Bupivacain zu herkömmlichem Bupivacain auf postoperative Schmerzen, den kumulativen Opioidbedarf und die Patientenzufriedenheit. Aufgrund der verschiedenartigen Freisetzungsmechanismen der beiden Agenzien unterschied sich zwar der Schmerzverlauf in den beiden Gruppen, jedoch konnte bei keinem der Endpunkte ein klinisch relevanter Unterschied festgestellt werden [21]. Diese Beobachtung wird bestätigt durch eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Kolade et al., die 2019 Studien zur analgetischen Wirksamkeit von liposomalem Bupivacain nach lokaler Infiltration und interskalenärer Nervenblockade im Vergleich zu herkömmlichen Lokalanästhetika (Bupivacain-HCl und Ropivacain) auswerteten. Allerdings konnten hierfür lediglich 7 Studien mit insgesamt 535 Patienten eingeschlossen werden [36].

Dagegen führte die Anwendung von liposomalem Bupivacain bei TAP-Blockaden nach Hysterektomie und Nephrektomie zu einer postoperativen Schmerzfreiheit bis zu 72 h und war damit im Vergleich zum nichtliposomalen Bupivacain effektiver [26, 27]. Beide Studien weisen jedoch methodische Mängel im Bereich der Verblindung auf und wurden zudem vom Hersteller der Substanz (Fa. Pacira Pharmaceuticals) gesponsert.

Im Februar 2021 erschien eine Metaanalyse zur umfassenden Evaluierung des analgetischen Effektes von liposomalem Bupivacain bei peripheren Nervenblockaden. Eingeschlossen wurden nur randomisierte Studien mit einem nichtliposomalen Lokalanästhetikum (Bupivacain oder Ropivacain) in der Vergleichsgruppe. 9 Studien mit insgesamt 619 Patienten, die interskalenäre Nervenblockaden, Blockaden des Adduktorenkanals, Interkostalnervenblockaden, dorsale Penisnervenblockaden, Fascia-iliaca-Kompartment-Blockaden oder N.-pectoralis(PECS)-Blockaden erhalten hatten, entsprachen diesen Vorgaben. Die Arbeit fokussierte sich in erster Linie auf das Schmerzniveau im Zeitraum zwischen 24 und 72 h nach der Operation. Zu jedem Zeitpunkt der Datenerhebung (24 h, 48 h und 72 h) wurden die numerisch geäußerten Schmerzen auf der NRS-Skala in die äquivalenten Werte in Zentimeter auf der visuellen Analogskala (VAS) umgewandelt. Um die Entwicklung der postoperativen Schmerzintensität über den Verlauf der Zeit zu evaluieren, wurden über die gewichteten Mittelwerte die jeweiligen AUC-Werte („Area under the Curve“ im VAS-Zeit-Diagramm) berechnet. Für den primären Endpunkt konnte folglich im gewählten Zeitraum eine statistisch signifikante Überlegenheit des liposomalen Bupivacains nachgewiesen werden, mit einer mittleren Differenz der AUC-Werte von 1,0 cm × h, die jedoch zu gering war, um die Schwelle der klinischen Relevanz (d. h. 2,0 cm × h) zu überschreiten. Zudem führte der Ausschluss einer industriell gesponserten Studie zum Verlust dieser nachgewiesenen statistischen Signifikanz [24].

2021 – aktuelle Daten hoher Evidenz zur finalen Beurteilung des liposomalen Bupivacains

Eine abschließende Beurteilung der klinischen Effektivität des liposomalen Bupivacains wurde bislang durch einen Mangel an qualitativ hochwertigen prospektiven Studien erschwert. So limitieren retrospektive Daten und kleine Versuchsgruppen eine Interpretation und Übertragbarkeit auf größere Kollektive. Einige Arbeiten sind mit einem hohen Verzerrungsrisiko verbunden, haben keine klar formulierten Endpunkte oder vergleichen nichtübertragbare Dosierungen in den Interventionsgruppen und unterschiedliche Anästhesieverfahren miteinander [9]. Zwar boten bisher veröffentlichte systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen bereits eine gute Orientierung bezüglich dessen, was man hinsichtlich der Anwendung des liposomalen Bupivacains im klinischen Alltag erwarten kann, doch beschränkten sich deren Ergebnisse bislang auf eine spezifische operative Intervention oder Applikationsform des liposomalen Bupivacains.

Jüngst veröffentlichte eine Marburger Arbeitsgruppe, der auch einige der Autoren dieses Artikels angehören, eine umfassende Metaanalyse [14] zur analgetischen Wirksamkeit und Sicherheit des liposomalen Bupivacains im Vergleich zum herkömmlichen Bupivacain-HCl, die sämtliche aktuell verfügbaren Daten zu allen Applikationsmethoden (Lokal- und Regionalanästhesie) umfasst. Prospektiv wurden die von Patienten geäußerten Schmerzen auf der numerischen Schmerzskala von 0–10 und der gesamte kumulative Bedarf an Opioiden 24 und 72 h nach Operation als primäre Endpunkte festgelegt. Die Autoren begründeten die Wahl der beiden Zeitpunkte der Datenerhebung damit, dass sie zwei wesentliche pharmakologische Cut-offs der beiden Studienmedikamente markieren: Die maximale analgetische Wirkdauer, die bislang durch eine lokale Einzelinjektion eines Lokalanästhetikums, beispielsweise Bupivacain-HCl, erreicht worden war, lag zwischen 9 und 12 h [1, 44]. Durch Zugabe von Adjuvanzien konnte die Wirkdauer auf bis zu 24 h verlängert werden [76]. Jeglicher Nachweis eines analgetischen Effektes nach dieser Zeit wäre demnach von hoher klinischer Relevanz. Der zweite Zeitpunkt wurde deshalb gewählt, weil das liposomale Bupivacain – zumindest theoretisch – eine Wirkzeitverlängerung auf bis zu 72 h verspricht [4, 23, 69]. Insgesamt wurden 23 RCT mit 1867 Patienten in die qualitative und quantitative Analyse eingeschlossen. Im Rahmen der Auswertung der Ergebnisse konnten in der Gruppe der mit liposomalem Bupivacain Behandelten statistisch signifikant geringere Schmerzen 24 h nach dem operativen Eingriff nachgewiesen werden (Mean ± SD 4,12 ± 1,68 vs. 4,5 ± 1,76; MD −0,37 [95 %-KI −0,56; −0,19]). Nach Cepeda et al. [10] und Farrar et al. [16], die im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten herausgefunden hatten, dass erst ein Unterschied von mindestens 1,3 bis 2 Punkten auf der NRS-Skala objektiv und subjektiv wahrnehmbar sei, ist dieser nachgewiesene Effekt allerdings ohne klinische Relevanz. 72 h nach Operation zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich der angegebenen Schmerzen zwischen den Interventionsgruppen. Darüber hinaus konnte die Metaanalyse zu beiden Zeitpunkten der Datenerhebung eine statistisch signifikante Reduktion des postoperativen Bedarfs an Morphinäquivalenten um 15 % in der Gruppe des Lokalanästhetikums mit retardierter Freisetzung detektieren. Allerdings wird auch hier die klinische Relevanz dieser Reduktion angezweifelt, zumal die Gesamtrate opioidbedingter Nebenwirkungen innerhalb aller Studien gering gewesen war und eine Dosisreduktion nicht zu einer Verringerung der Inzidenz derselben geführt hatte. Anzumerken ist, dass sich die zunächst heterogene Studienlage zu liposomalem Bupivacain nach Ausschluss methodisch schwacher Studien (Verblindung, Sponsoring) in ein sehr homogenes Bild wandelt, wodurch die Effekte der Substanz sehr präzise und mit niedrigem I2 berechnet werden können. Abschließend führten Dinges et al. eine sequenzielle Studienanalyse („trial sequential analysis“ [TSA]) durch, um die Stärke der Evidenz bislang verfügbarer RCT und abschließend die Schlüssigkeit und Endgültigkeit der Erkenntnisse ihrer Metaanalyse zu bewerten. Gemäß der TSA zeigte sich die Metaanalyse bezüglich des Endpunktes „postoperative Schmerzen nach 24 h“ schlüssig, da die erforderliche Informationsgröße (IS) von 1063 Patienten erreicht worden war. Für den Endpunkt „kumulativer Konsum von Morphinäquivalenten nach 24 h“ konnte die geschätzte IS nicht erreicht werden. Da der nachgewiesene Effekt schon vorher die Schwelle statistischer Signifikanz überschritten hatte, sei davon auszugehen, dass weitere Studien den nachgewiesenen Behandlungseffekt (mit niedriger klinischer Relevanz) kaum beeinflussen würden [14].

Fazit für die Praxis

Anwendung

  • Liposomales Bupivacain ist ein Lokalanästhetikum mit der Struktur eines multivesikulären Liposoms, dessen Vesikel durch interne Erosion den gespeicherten Wirkstoff Bupivacain-HCl retardiert freisetzen. Nach Einzelinjektion könnte somit theoretisch eine Wirkdauer bis zu 72 h erreicht werden.

  • 2011 erfolgte die erstmalige Zulassung des liposomalen Bupivacains unter dem Handelsnamen Exparel© (Fa. Pacira Pharmaceuticals, Parsippany, NJ, USA) durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA), die 2020 durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) auf Europa für Feldblockinfiltrationen und periphere Nervenblockaden des Plexus brachialis und N. femoralis ausgeweitet wurde.

  • In präklinischen Studien zeigte sich stets ein dem herkömmlichen Bupivacain-HCl vergleichbares Sicherheitsprofil in den Aspekten Wundinfektion, Myo‑, Kardio- und Neurotoxizität.

Effektivität

  • Die klinischen Studien zur Effektivität von liposomalem Bupivacain sind heterogen und konnten nach Einmalgabe nur teilweise eine Verlängerung der postoperativen Analgesiedauer im Vergleich zu herkömmlichen Bupivacain nachweisen.

  • Aktuelle, umfassende Metaanalysen der methodisch einwandfreien klinischen Studien zeigen jedoch sehr homogen, dass weder bezüglich der Schmerzkontrolle noch des Opioidbedarfs im postoperativen Setting eine relevante Überlegenheit des liposomalen Bupivacains vorliegt.