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Im Jahr 2014 betrug in Deutschland die Zahl der an Krebs erkrankten Menschen mehr als 476.000 [1]. Die Zahl der Menschen, die in Deutschland mit einer in den letzten 5 Jahren diagnostizierten Tumorerkrankung leben, beträgt schätzungsweise 1,55 Mio. Dabei ist von weiter steigenden Zahlen auszugehen. Die Ursachen für die Zunahme der mit einer Krebserkrankung lebenden Menschen werden einerseits einer gestiegenen Lebenserwartung, andererseits einer Reduktion der krebsbezogenen Letalität zugeschrieben [1].
Die Gründe, warum wir als Anästhesisten und Intensivmediziner in die Behandlung von Tumorpatienten involviert werden, sind vielfältig. Mögliche Ursachen können einerseits direkt im Zusammenhang mit der Tumorerkrankung, z. B. im Rahmen der perioperativen Betreuung von Patienten mit soliden Tumoren, therapieassoziiert oder aber völlig unabhängig von der malignen Grunderkrankung sein.
Tumorerkrankungen und deren Therapie gehen mit zahlreichen Nebenwirkungen einher, die dem Anästhesisten und Intensivmediziner bekannt sein sollten, um im Bedarfsfall gemeinsam mit den mitbehandelten Fachdisziplinen wie z. B. Onkologie, Chirurgie oder innere Medizin die notwendige Therapie einzuleiten oder ggf. eine palliative Therapie einzuschlagen.
Komplikationen einer Tumorerkrankung
Die meisten Tumoren zeichnen sich durch verdrängendes Wachstum oder Kompression wichtiger Strukturen oder Organe aus, deren Funktion dadurch beeinträchtigt werden kann. Eine große Zahl von Patienten klagt im Verlauf ihrer Erkrankung über Schmerzen und benötigt eine differenzierte Tumorschmerztherapie [2]. Besonders unter Chemotherapie, aber auch bei verdrängendem Tumorwachstum klagen die Patienten über Übelkeit und Erbrechen sowie chronische Müdigkeit oder Gedächtnisstörungen [3]. Ein großer Teil der Patienten mit maligner Erkrankung entwickelt im Verlauf eine Anorexie mit Gewichtsverlust und eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf das postoperative Outcome und ist z. B. mit Wundheilungsstörungen assoziiert [4].
Besonders kardiovaskuläre Begleiterscheinungen der Tumorerkrankung und -therapie sind für den Anästhesisten und Intensivmediziner von Bedeutung. Hier lassen sich Herzrhythmusstörungen, eine bestrahlungs- oder antracyclininduzierte Kardiomyopathie oder eine Herzinsuffizienz beobachten [5, 6]. Zu den vaskulären Komplikationen bei Tumorpatienten zählen v. a. die tiefe Beinvenenthrombose, die man in 5–10 % der Fälle postoperativ antreffen kann, oder auch die periphere arterielle Verschlusskrankheit [6]. Circa 5–10 % dieser Patienten zeigen pulmonale Reaktionen wie z. B. Strahlenpneumonitis, bevorzugt in Kombination mit Sauerstoff oder Chemotherapie [6].
Für Anästhesisten und Intensivmediziner spielen besonders hämatologische Komplikationen der Tumorerkrankung und -therapie eine große Rolle. Eine Anämie kann Folge einer akuten Blutung aus dem Tumor, einer tumorbedingt verminderten Erythropoetinbildung oder auch der Chemotherapie sein [7]. Besonders im Zusammenhang mit der Chemotherapie werden immer wieder eine Leuko- und Neutropenie beobachtet, die zu einer verstärken Infektanfälligkeit führen [8]. Eine Thrombopenie kann medikamentös induziert oder Folge einer verstärkten Sequestration von Thrombozyten in der Milz sein.
Nicht selten können bei Patienten mit Malignomen endokrinologische Veränderungen und Störungen des Elektrolythaushalts beobachtet werden. Hierzu zählt die Hyperkalzämie, die bei ca. 10 % der Patienten beobachtet werden kann und gehäuft im Zusammenhang mit Bronchialkarzinomen oder Knochenmetastasen auftreten können [9]. Eine Störung des Wasserhaushalts z. B. im Rahmen einer inadäquaten ADH(Antidiuretisches Hormon)-Sekretion führt zu einer Hyponatriämie und Wasserretention [9].
Der Krebspatient auf der operativen Intensivstation
Die steigende Zahl und verbesserte Therapie von Patienten mit Malignomen macht es wahrscheinlich, dass solche Patienten aus unterschiedlichsten Indikationen auf Intensivstationen aufgenommen werden [10]. Die Ursache für die Aufnahme kann dabei ebenfalls tumorassoziiert, therapieassoziiert oder aber völlig unabhängig von der Grunderkrankung sein. Hier setzt der vorliegende Beitrag der Autoren um Herrn Prof. Annecke an [11]. Sie beschreiben detailliert und ausführlich mögliche tumorassoziierte Indikationen und therapieassoziierte Ursachen, die zur Aufnahme auf eine Intensivstation führen können. Dabei legen die Autoren besonderen Wert auf die Darstellung der Wirkungen und Nebenwirkungen der modernen Tumortherapieformen, wie die Beeinflussung der zellulären Immunantwort durch neue Medikamente wie monoklonale oder bispezifische Antikörper oder Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Kernstück der Arbeit sind Kriterien, die für die Entscheidung zur Aufnahme von Krebspatienten auf Intensivstation in Betracht gezogen werden sollten und für den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend sein können [11].
Inwiefern durch anästhesiologische und intensivmedizinische Maßnahmen wie die Anlage von Regionalanästhesieverfahren oder die Verwendung bestimmter Anästhetika ein positiver Einfluss auf den Tumorprogress und die Rezidiv- bzw. Metastasierungsrate genommen werden kann, ist aktuell Gegenstand intensiver Forschungsarbeit. Nach der derzeitigen Studienlage kann für ein spezifisches perioperatives Vorgehen keine Empfehlung ausgesprochen werden. Maßnahmen zur Vermeidung von Kontamination, Hypothermie, Blutverlust und Transfusion sind sinnvoll, um die perioperative Morbidität und Letalität onkologischer Patienten zu reduzieren.
B. Sinner
Literatur
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Sinner, B. Onkologie in Anästhesie und operativer Intensivmedizin. Anaesthesist 67, 79–80 (2018). https://doi.org/10.1007/s00101-018-0415-8
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