Zusammenfassung
Die zirkuläre Hämorrhoidopexie ist eine häufig angewandte Operationstechnik bei fortgeschrittenem Hämorrhoidalleiden. Trotz der scheinbar technischen Einfachheit kann es in seltenen Fällen zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen. Es wird über den Fall einer Patientin berichtet, die durch eine Blutung aus der Klammernaht nach Hämorrhoidopexie ein retroperitoneales Hämatom mit konsekutiver Perforation der Klammernaht entwickelte. Eine solche Komplikation ist bislang kaum beschrieben worden. Entgegen ähnlicher Fälle konnte auf eine transabdominelle operative Sanierung verzichtet werden. Die perirektale Hämatomhöhle wurde erfolgreich durch die Einlage von rektalen Endo-SPONGEs® therapiert.
Abstract
Circular hemorrhoidectomy is a frequently used surgical technique for advanced hemorrhoid disease. Despite the apparently technical simplicity, life-threatening complications can occur in rare cases. This article reports the case of a patient who developed a retroperitoneal hematoma after hemorrhoidopexy due to a bleeding with subsequent perforation of the stapled line. Such a complication has hardly been described before. In contrast to similar cases, a transabdominal surgical procedure could be avoided. The perirectal hematoma cavity was successfully treated by the insertion of rectal Endo-SPONGEs®.
Ein retroperitoneales Hämatom ist eine bislang kaum beschriebene schwerwiegende Komplikation nach einer zirkulären Hämorrhoidopexie nach Longo. Diese wurde erfolgreich durch die Einlage von rektalen Endo-SPONGEs® therapiert.
Anamnese
Eine 69-jährige Patientin stellte sich mit einem zunehmenden Prolapsgefühl bei Hämorrhoidalleiden vor. In der Untersuchung zeigten sich Hämorrhoiden 3. Grades, ein Mukosaprolaps sowie ein beginnender zirkulärer Anodermprolaps als Ursache. Konservative Maßnahmen brachten keinen gewünschten Erfolg, weshalb im Verlauf die Indikation zur operativen Resektion gestellt wurde. Die Patientin litt an keinen relevanten Komorbiditäten.
Intraoperativ zeigte sich ein erheblicher Mukosaprolaps, daher fiel der Entschluss zur zirkulären Hämorrhoidopexie nach Longo. Bei einem kleinen Restprolaps erfolgte außerdem eine segmentäre Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan bei 11 Uhr SSL. Der Eingriff gestaltete sich komplikationslos. Postoperativ beklagte die Patientin im Aufwachraum deutliche Schmerzen im kleinen Becken, die jedoch analgetisch zu kompensieren waren.
Befund und Diagnose
Am Abend des Operationstages setzte die Patientin in großen Mengen koageliges Blut ab. Es erfolgt eine Untersuchung in Vollnarkose. Dort zeigte sich bei 4–6 Uhr eine Dehiszenz im Bereich der Klammernahtreihe mit leichter Sickerblutung, welche gestillt werden konnte. Oral davon imponierte ein ca. 6 cm großes retrorektales Hämatom ohne Anhalt für eine aktive Blutung. Da die Höhle kontaminiert war, wurde der Befund belassen und auf eine Hämatomausräumung verzichtet. Die Patientin erhielt Cefazolin und Metronidazol intravenös.
Zwei Tage postoperativ kam es zu einem Hb-Abfall von präoperativ 11,8 g/dl auf 7,9 g/dl (12,0–16,0 g/dl). Ebenfalls entwickelten sich trotz der antibiotischen Therapie zunehmend erhöhte laborchemische Infektparameter. Die Patientin zeigte klinische Anzeichen für eine beginnende Sepsis, weshalb eine Verlegung in das hiesige Universitätsklinikum erfolgte. Die antibiotische Therapie wurde mit Moxifloxacin eskaliert.
In der dort durchgeführten Computertomographie (CT) mit rektaler Kontrastierung demarkierte sich im Bereich der Nahtinsuffizienz ein deutlicher Kontrastmittelaustritt in die bereits vorbeschriebene Hämatomhöhle mit diffus entzündlichen Umgebungsreaktionen (Abb. 1). Perirektal und retroperitoneal imponierten ausgeprägte Imbibierungen, die sich nach apikal bis auf Höhe des Pankreas und diffus entlang der parakolischen Rinnen beidseits erstreckten. Ebenfalls zeigten sich perirektal bis nach paraaortal und parakaval und bis zum dorsolateralen Leberrand abgrenzbare retroperitoneale Luftkollektionen (Abb. 2).
Therapie und Verlauf
Neben der Eskalation der antibiotischen Therapie wurde aufgrund der milden abdominellen Symptomatik gegen eine operative Sanierung entschieden. Stattdessen erfolgte noch am Aufnahmetag eine Koloskopie, in der ein 15 mm Endo-SPONGE® (B. Braun Melsungen AG, Melsungen, Deutschland) in die etwa faustgroße koagelgefüllte Wundhöhle eingebracht wurde (Abb. 3 und 4). Die Patientin erhielt flüssige Kost.
Im Abstand von 3–4 Tagen wurden Rektoskopien mit Einlage von sukzessiv verschmälerten Endo-SPONGE® durchgeführt. Ein zwischenzeitlich auf dem Boden auftretender Fistelporus bildete sich im Verlauf der Endospongetherapie zurück. Es entstand zunehmend eine saubere Granulationshöhle mit abgeschlossenem Wundgrund (Abb. 5). Nach 17 Tagen konnte die Endo-SPONGE®-Therapie beendet werden. Die Patientin wurde kostaufgebaut und konnte die Klinik am darauffolgenden Tag beschwerdefrei und mit normwertigen Infektparametern verlassen. Im häuslichen Rahmen erfolgte die tägliche Gabe von rektalen Klistiers. In der Abschlussuntersuchung, 23 Tage nach Beginn der Therapie, zeigte sich im Bereich der Klammernahtreihe noch ein kleiner Porus. Eiter oder Flüssigkeit entleert sich nicht, die Wundverhältnisse erschienen reizlos. Die Patientin konnte von nun an ambulant weiterbetreut werden. Eine weitere Kontrolle 9 Monate postoperativ zeigte eine komplett reizlos verheilte Narbe (Abb. 6). Die Patientin ist bis dato beschwerdefrei im Hinblick auf ihre Hämorrhoidalbeschwerden, beklagt keine Inkontinenz, Entleerungsstörungen oder Schmerzen im analen Bereich oder im kleinen Becken.
Diskussion
Die zirkuläre Hämorrhoidopexie nach Longo ist eine 1981 von Koblandin [1] entwickelte und seit der Modifikation durch Longo 1998 [2] mittlerweile weltweit anerkannte Operationstechnik bei Hämorrhoiden 3. Grades.
Bislang überzeugt diese Technik, insbesondere im Vergleich zu der Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan, durch eine kurze Operationszeit, geringe postoperative Schmerzen und kurze Rekonvaleszenzzeit [3]. Die Komplikationsraten variieren je nach Studie zwischen 6,4 % und 31 % [4]. Berichtet wird überwiegend von Rezidiven, Thrombosen, Kontinenzstörungen, endoluminalen Nachblutungen und Stenosen [4]. Nur wenige Fälle von schwerwiegenden Nebenwirkungen wurden bislang publiziert. In der Literatur findet sich zum aktuellen Zeitpunkt ein Fall über eine pelvine Sepsis [5] und 3 Fälle, in denen über eine Perforation des Rektums mit folgender fäkaler Peritonitis [6], Pneumoretroperitoneum und Pneumomediastinum [7] bzw. ein retroperitoneales Hämatom berichtet wird [8]. Als Folge dieser schwerwiegenden Komplikationen wurde in den meisten Fällen eine explorative Laparotomie durchgeführt, teilweise wurde sogar die Anlage eines temporären Kolostomas nötig.
Als Hauptursache werden technische Fehler vermutet. Durch eine zu tiefe Resektion durch den Staplerkopf und die Mitnahme von Anteilen der Muskulatur kann es konsekutiv zu einer Wühlblutung mit Einbruch ins Retroperitoneum kommen.
Die rein interventionelle Behandlung mit Einlage von einem Endo-SPONGE® ist im Zusammenhang mit einer solchen Komplikation bislang nicht beschrieben worden. Seit der Einführung der Endo-SPONGE®-Therapie 2007 durch Weidenhagen et al. [9] gehört diese zur Standardtherapie in der Behandlung von Insuffizienzen bei Rektumanastomosen. Zusätzlich wurde das Einsatzspektrum stetig erweitert. Aufgrund des positiven Verlaufs bei einer solch schwerwiegenden Komplikation und dem Verzicht auf weitere invasive Eingriffe kann diese rein interventionelle Behandlungsmöglichkeit daher auch in Zukunft als Therapieoption in Erwägung gezogen werden. Bei einer Exazerbation der klinischen Symptomatik oder freier intrababdomineller Luft ist weiterhin eine Exploration mit Lavage und ggf. weiteren operativen Maßnahmen zu erwägen.
Fazit für die Praxis
-
Trotz der scheinbar technischen Einfachheit der Staplermukosektomie sollte die Gefahr von schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht unterschätzt werden.
-
Bei milder Symptomatik einer retroperitonealen Perforation ohne Anhalt für eine Peritonitis ist eine rein interventionelle Therapie möglich.
-
Die rektale Endo-SPONGE®-Therapie stellt hierbei ein mögliches Verfahren dar.
-
Bei Zeichen einer Peritonitis sollte dieses Verfahren um eine Lavage ergänzt werden.
Literatur
Koblandin S, Schalkow J (1981) Eine neue Methode zur Behandlung von Hämorrhoiden mit Hilfe eines Zirkularstaplers. In: Wissenschaftliches Arch. des Zelinograder Medizinischen Institutes, S 27–28
Longo A (1998) Treatment of hemorrhoidal disease by reduction of mucosa and hemorrhoidal prolapse with a circular suturing device: a new procedure. In: Proc. 6th World Congr. Endosc. Surgery. Bol. Monduzzi Ed, S 777–784
Mehigan BJ, Monson JRT, Hartley JE (2000) Stapling procedure for haemorrhoids versus Milligan-Morgan haemorrhoidectomy: Randomised controlled trial. Lancet 355(9206):782–785
Ravo B et al (2002) Complications after stapled hemorrhoidectomy: Can they be prevented? Tech Coloproctol 6(2):83–88
Molloy RG, Kingsmore D (2000) Life threatening pelvic sepsis after stapled haemorrhoidectomy. Lancet 355(9206):810
Wong LY, Jiang JK, Chang SC, Lin JK (2003) Rectal perforation: a life-threatening complication of stapled hemorrhoidectomy. Report of a case. Dis Colon Rectum 46(1):116–117
Ripetti V, Caricato M, Arullani A (2002) Rectal perforation, retropneumoperitoneum, and pneumomediastinum after stapling procedure for prolapsed hemorrhoids: report of a case and subsequent considerations. Dis Colon Rectum 45(2):268–270
Meyer P, Stieger R (2004) Retroperitoneales hämatom mit sekundärer nahtinsuffizienz: Komplikation einer staplermukosektomie nach longo. Chirurg 75(11):1125–1127
Weidenhagen R, Gruetzner KU, Wiecken T, Spelsberg F, Jauch K‑W (2008) Endoscopic vacuum-assisted closure of anastomotic leakage following anterior resection of the rectum: a new method. Surg Endosc 22(8):1818–1825
Funding
Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
L. Niemann, V. Kahlke, B. Reichert, T. Becker und J. Pochhammer geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor. Es besteht keine Verbindung mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist.
Rights and permissions
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Niemann, L., Kahlke, V., Reichert, B. et al. Rektale Endo-SPONGE®-Therapie bei retroperitonealem Hämatom nach komplexer Hämorrhoidektomie. coloproctology 42, 499–502 (2020). https://doi.org/10.1007/s00053-020-00493-2
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00053-020-00493-2