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Zur Pathogenese systematischer Bahndegenerationen bei amaurotischer Idiotie und zur Frage der Beziehungen dieses Leidens zur Myoklonusepilepsie

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Zusammenfassung

Es wird die klinische und anatomische Beobachtung eines 6 jährig verstorbenen Knaben mitgeteilt, der nach verzögerter Kleinkindentwicklung im 3./4. Lebensjahr mit kleinen und auch generalisierten Krampfanfällen erkrankte. Im Verlauf von 3 Krankheitsjahren Verfall in Demenz, Auftreten von Ataxie und athetoiden Hyperkinesen, später Abasie, Astasie, im letzten Lebenshalbjahr ausgeprägte Myoklonismen bei gleichzeitiger Häufung der epileptischen Anfälle, Tod an Pneumonie in schwer dystrophischem Allgemeinzustand.

Anatomisch: An den Körperorganen keine Niemann-Pick-Befunde, nur in der Lunge stellenweise ein außergewöhnliches intracelluläres Vorkommen normal gefärbter Lipoide. Allgemeine Hirn-, insbesondere Kleinhirnatrophie, Status spongiosus der Rinde. Histologisch: neben dem Schafferschen Zellprozeß pseudolaminäre, occipital und in den Windungstälern akzentuierte Zellausfälle in der Rinde. Diffuse Sklerosierung des Großhirnmarks und des gesamten Kleinhirns. Symmetrische Degeneration der Bindearme, des Dentatum-Hilus und der roten Kerne mit noch relativ frischem Fettabbau. Verschiedenartige Zellschäden im N.dentatus, darunter intra- und extracelluläre Myoklonuskörper, welche in einzelnen Entwicklungsstadien verfolgt werden können und sich herzuleiten scheinen aus myelinoiden, prälipoiden Plasma-Granula, wie sie außer im N. dentatus auch in den Nervenzellen der S. nigra und im Thalamus gefunden wurden.

Die klinische Epikrise (I) kann einerseits den Fall dem spätinfantilen Typus der amaurotischen Idiotie, insbesondere den sehr ähnlichen Geschwisterfällen Bielschowskys zuordnen, muß aber andererseits im Hinblick auf die Myoklonismen die Differentialdiagnose zur Myoklonusepilepsie offenhalten. Die anatomische Rubrizierung (II) orientiert sich zunächst an dem auffallendsten Befund, der Bindearmdegeneration. Es werden die bei amaurotischer Idiotie zu beobachtenden Markschäden in 4 Gruppen gegliedert, zwischen denen es Übergangsfälle gibt (1. Diffuse Marklagerschäden des Großhirns; 2. Unregelmäßig-disseminierte herdförmige Entmarkungen; 3. Systematische Markscheidendegenerationen in Verbindung mit außergewöhnlichen Kleinhirnschäden; 4. Strangdegenerationen des Rückenmarks).Die Eigenbeobachtung ist der3.Gruppe zuzuteilen. Sie wird kasuistisch noch genauer verglichen mit den Geschwisterfällen Bielschowskys und mit der hinsichtlich der Myoklonuskörperbildung einzigen genauer beschriebenen Parallelbeobachtung von Liebers.

Im III. Teil der Arbeit werden die bisherigen Erwägungen über die Pathogenese von Markschäden bei amaurotischer Idiotie (a) erweitert um Gesichtspunkte, welche die von Spielmeyer und Scholz ausgebaute Krampfpathologie uns heute anzulegen zwingt bei allen Krankheiten, die mit häufigen und schon ins Kindesalter fallenden Krämpfen einhergehen. Es wird dargelegt inwiefern die pseudolaminären Ganglienzellausfälle, der Status spongiosus, Zellausfälle und Skierosierung im Ammonshorn, Thalamus und Olive und vor allem die schweren Dentatumschäden als zumindest mitverursacht angesehen werden müssen durch die zahlreichen Krampfabläufe (b). Der Befund von Myoklonuskörpern und deren Vor- oder Abortivformen in Dentatum, Nigra und Thalamus wird eingehend besprochen und kasuistisch verglichen (c) und die Anschauung näher begründet, daß die Beziehungen zwischen Myoklonusepilepsie und amaurotischer Idiotie doch wohl etwas enger sind, als. sie bisher gesehen wurden (d). Die Bindearmdegeneration wird als eine solche sekundärer Natur aufgefaßt und auf die schweren und vielfältigen Zellschäden im N. dentatus bezogen (e). Für die Genese der Markscheidendefekte bei amaurotischer Idiotie überhaupt lehrt der Fall, daß diese verschiedenartige Entstehungsursachen haben können. Die Defekte der Gruppe 1 (vorwiegend frühkindliche Fälle) dürften in erster Linie auf primäre Entwicklungshemmung zurückgehen, bei denen der Gruppe 3 (vorwiegend spätinfantile und juvenile Fälle) sekundäre Krampfschäden eine Rolle spielen, bei denen der Gruppe 4 (vorwiegend Spätfälle) eine erhöhte Vulnerabilität der Hinterstrangsysteme im fortgeschrittenen Lebensalter. Gemäß der gut begründeten Forderung von W. Scholz, den Kausalnexus zwischen Hirnbefund und Krampfanfällen stets nach beiden Richtungen hin zu verfolgen, faßt eine abschließende Bemerkung zur Genese der Myoklonuskörperbildung (f) diese nicht ohne weiteres als Ursache der Krämpfe auf, sondern fragt, ob die mit Krampfanfällen stets verbundene trophische Beanspruchung der Ganglienzellen nicht auch eine Entstehungsbedingung unter anderen für diese Gebilde sein könnte.

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Herrn Prof. Dr. W. Scholz in dankbarer Verehrung zum 60. Geburtstag.

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Haddenbrock, S. Zur Pathogenese systematischer Bahndegenerationen bei amaurotischer Idiotie und zur Frage der Beziehungen dieses Leidens zur Myoklonusepilepsie. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift Neurologie 185, 129–164 (1950). https://doi.org/10.1007/BF00352825

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