Zusammenfassung
Der Aufsatz zeichnet den Weg des epistemologisch Dunklen von der Peripherie der Erkenntnislehre der Aufklärung bis in ihr Zentrum nach. Es wird aufgezeigt, daß die Problematisierung der cognitio obscura als Bestandteil der Philosophie der Aufklärung keine Ergänzung, sondern einen grundsätzlichen Perspektivenwandel bedeutet. Mit Descartes und Herder sind Ausgangs- und Endpunkt dieser Entwicklung bezeichnet.
Abstract
The essay traces the route of the epistemologically ‘obscure’ from the fringe of Enlight-enment epistemology into its centre. The cognitio obscura as a problem does not imply a supplement to the philosophical system of the Enlightenment but rather a fundamental change of perspective. Descartes and Herder mark the beginning and end of this development.
Literature
Vgl. René Descartes, Discours de la Méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences [1637], Œuvres et Lettres, Textes présentés par André Bridoux, Bibliothèque de la Pléiade, Bd. XL (1970), 148. — Vgl. auch ders., Les Principes de la Philosophie [1644], a.a.O., § 43 und § 45, S. 590f., sowie ders., Méditations touchant la Première Philosophie dans lesquelles Vexistence de Dieu et la distinction réelle entre l’âme et le corps de l’homme sont démontrées [1641], a.a.O., 284.
Gottfried Wilhelm Leibniz, Meditationes de Cognitione, Veritate et Ideis [1684]. Ich zitiere nach: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, hrsg. C.J. Gerhardt, IV. Bd. (1880), 422–426 (im folgenden zit. als: Gerh.).
Paul Hazard hat skizzenhaft hingewiesen auf die “Gegenbewegung einer Metaphysik, die sich auf den Wert des unendlich Kleinen, des nicht mehr Wahrnehmbaren, des Unbe-wußten, des Dunklen gründet; auf die Kraft der psychologischen Dynamik, auf die Exi-stenz einfacher Substanzen, die etwas wie die Essenz des vitalen Instinkts, die Essenz des Ich sind.” Paul Hazard, Die Krise des europäischen Geistes. La crise de la Conscience Européenne. 1680–1715, aus dem Französischen übertr. Harriet Wegener (1939), S. 472.
So übersetzt K. Heinrich von Stein, Die Entstehung der neueren Ästhetik, reprograf. Nachdruck der Ausgabe 1886 (1964), S. 338.
So übersetzt Wolff und in seiner Nachfolge viele andere. Christian Wolff, Vernünfftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, mit einer Einleitung und einem kritischen Apparat von Charles A. Corr, Nachdruck der Ausgabe 1751 (1983), Gesammelte Werke, hrsg. J. Ecole u.a., I. Abt., Bd. II, ‘Deutsche Metaphysik,’ § 214.
G. W. Leibniz, Nouveaux Essais sur l’Entendement [1765], 4. Buch, Kap. 17, Gerh., V (1882), 472.
G.W. Leibniz, Principes de la Nature et de la Grace, fondés en raison [1714], § 17; Gerh., VI (1885), 605.
G. W. Leibniz, ‘Monadologie’ [1714], § 60, Gerh., VI, 617. — Vgl. auch Leibniz, “Préface,” Nouveaux Essais, Gerh., V, 50 und 2. Buch, Kap. 1; Gerh. V, 99.
Christian Wolff, Psychologia empirica, edidit et cura vit Joannes Ecole, reprograf. Nachdruck der Ausgabe 1738, Gesammelte Werke, hrsg. und bearb. J. Ecole u.a., II. Abt., Bd. V, § 50 (1968).
George Friedrich Meier, Vernunftlehre (1752), § 175.
Alfred Baeumler, Das Irrationalitätsproblem in der Ästhetik und Logik des 18. Jahrhunderts bis zur Kritik der Urteilskraft, reprografischer Nachdruck der 2., durchges. Auflage 1967 (zuerst unter anderem Titel 1923), mit einem Nachwort zum Neudruck 1967 (1975), S. 204.
(Johann George Sulzer), Kurzer Begriff aller Wißenschaften und ändern Theile der Gelehrsamkeit, worin jeder nach seinem Inhalt, Nuzen und Vollkommenheit kürzlich beschrieben wird, zweyte ganz veränderte und vermehrte Auflage (1759), § 206, S. 159.
Alexander Gottlieb Baumgarten, Meditationes philosophicae de nonnullis ad Poema pertinentibus … (1735). Ich zitiere nach dem Reprint in: Reflections on Poetry: A.G. Baumgarten s “Meditationes …” translated, with the Original Text, an Introduction, and Notes, Karl Aschenbrenner and William B. Holther (1954), § 116. — Die neue, deutsch-lateinische Ausgabe, besorgt von Heinz Paetzold, Philosophische Bibliothek, Bd. 352 (1983) ist wegen etlicher Druckfehler nicht zitierfähig.
Alexander Gottlieb Baumgarten, Metaphysica (1739), § 511.
Thomas Abbt, “Leben und Charakter Alexander Gottlieb Baumgartens [1763],” Thomas Abbts vermischte Werke, 4. Theil (1780)
Nachdruck Thomas Abbt, Vermischte Werke, Bd. II (1978), 215–244, 222.
Alexander Gottlieb Baumgarten, Gedancken vom Vernünfftigen Beyfall auf Academien, Wonebst er [Baumgarten] Zu einer Antrits-Rede und ersten Frankfurthiscben Lese-Stunden eingeladen [1740], zweyte vermehrte Auflage (1741), § 6, S. 19, Anm. *.
Panajotis Kondylis, Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus [1981] (1986), S. 559.
Alexander Gottlieb Baumgarten, Aesthetica, unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausgabe 1750 (1961), § 1.
Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausgabe 1853, mit einem Vorwort zum Neudruck von Wolfhart Henckmann (1973). — Henckmann schreibt in seinem Vorwort: “Den Horizont einer ästhetisch versöhnten Kunstwelt hat Rosenkranz auch mit seiner ‘Ästhetik des Häßlichen’ nicht überschritten …” (S. XIII, Anm. 21). In seiner Ausfaltung und Differenzierung handle es sich “gleichsam um ein Linnésches System des Häßlichen” (S. XVII).
Johann George Sulzer, “Zergliederung des Begriffs der Vernunft [1758],” Vermischte Philosophische Schriften: Aus den Jahrbüchern der Akademie der Wissenschaften zu Berlin gesammelt (1773), S. 244–281, S. 261.
Jean Ecole, “Des rapports de l’expérience et de la raison dans l’analyse de l’âme ou la ‘Psychologia empirica’ de Christian Wolff,” Giornale di Metafisica, 21 (1966), 589–617, 596.
Karl Philipp Moritz, “Vorschlag zu einem Magazin einer Erfarungs-Seelenkunde [1782],” Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte hrsg. von Carl Philipp Moritz, Faksimile-Druck nach dem Original von 1783, neu hrsg. und mit einem Nachwort vers. Anke Bennholdt-Thomsen und Alfredo Guzzoni, Bd. I (1978), ohne Seitenzählung. — Vgl. zum Magazin: Hans Joachim Schrimpf, Karl Philipp Moritz, Sammlung Metzler, 195 (1980), S. 35 ff. sowie H.J. Schrimpf, “Das ‘Magazin zur Erfahrungsseelenkunde’ und sein Herausgeber,” Zeitschrift für deutsche Philologie, 99 (1980), 161–187.
Jean Starobinski, Die Erfindung der Freiheit. 1700–1789 (1964), S. 118b: “Nun ist nicht mehr der Idealtypus Zeuge der schöpferischen Absicht der Natur, sondern das Individuum, ja sogar paradoxerweise dasjenige, was wir für ein ‘Ungeheuer’ halten würden … Die Natur will Unterschiede und individuelle Nuancen schaffen, nicht spezifische Typen. Das Leben ist die Entfaltung einer Kraft der Differenzierung, die in immer neuen Formen zutage tretende Auswirkung einer Vielzahl von Bestimmungsgründen.” — Vgl. auch Wolf Lepenies, Das Ende der Naturgeschichte: Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, Hanser Anthropologie (1976), S. 64f.
Vgl. Christian Wolff, Philosophia rationalis sive Logica, Pars I, Edition critique avec introduction, notes et index par Jean Ecole, in Gesammelte Werke, hrsg. und bearb. J. Ecole u.a., II. Abt., Bd. 1.1 (1983), § 3.
Vgl. insbesondere Moses Mendelssohns Briefe “Über die Empfindungen [1755],” Schriften zur Philosophie und Ästhetik, I. Bearb. von Fritz Bamberger, Faksimile-Druck der Ausgabe 1929, … Gesammelte Schriften, Jubiläumsausgabe, Bd. I (1971), 41–123.
Vgl. die erste Transkription, die noch auf ungünstiger Materiallage basiert: Immanuel Kant Aus den Vorlesungen der Jahre 1762 bis 1764 Auf Grund der Nachschriften Johann Gottfried Herders, hrsg. Hans Dietrich Irmscher, Kantstudien, Ergänzungshefte, 88 (1964), S. 48–86 (Irmscher nimmt, wie andere auch, irrtümlich an, daß Kant seinen Vorlesungen die 1. Auflage der Metaphysica (1739) Baumgartens zugrundegelegt habe.) — Vgl. jetzt, nach Auffinden verlorengegangener Manuskripte, die umfassende, von Gerhard Lehmann besorgte Transkription in: Kant, AA, Bd. XXVIII,1 (1968), 1–53 und 153–166, sowie Bd. XXVIII, 2,1 (1970), 839–931.
Wiederholt hebt Herder die Prägnanz der Definition “oratio sensitiua perfecta est POEMA” lobend hervor. Vgl. z.B. [“Bruchstück von Baumgartens Denkmal”], Johann Gottfried Herder, Frühe Schriften. 1764–1772, hrsg. Ulrich Gaier, Werke in zehn Bänden, Bibliothek deutscher Klassiker, Bd. I (1985), 681–694, 683 (im folgenden zitiert als: FH A, I). — Herder Kritische Wälder: Oder Betrachtungen über die Wißenschaft und Kunst des Schönen. Viertes Wäldchen über Riedels Theorie der schönen Künste, SWS, IV (1878), 1–198, 132.
“Für Baumgarten ist die metaphysische Form der Natur der Prototyp der vollkommenen Form überhaupt; wenn man an das Sensitive die Forderung stellen kann, sich einer solchen Form zu fügen, so ist es damit schon gerechtfertigt. Der Gedanke des ‘analogon metaphysikon’ ist der Hauptgedanke der Aesthetik” Heinz Schwitzke, Die Beziehungen zwischen Aesthetik und Metaphysik in der deutschen Philosophie vor Kant (Diss. 1930), S. 25; vgl. auch S. 64f. und S. 75.
Der Text wurde 1936 zum ersten Mal in einer Transkription zugänglich gemacht in: “Herder als Schüler Kants. Aufsätze und Kolleghefte aus Herders Studienzeit,” hrsg. Gottfried Martin, Kant-Studien, 41 (1936), 294–306. Diese Version ist unzuverlässig. Wolfgang Proß hat sie in seine Herder-Ausgabe übernommen. Vgl. J.G. Herder, Werke, Bd. II. Herder und der Sturm und Drang. 1764–1774, hrsg. Wolfgang Proß (1984), S. 573–587. — Die zweite Transkription hat Gerhard Lehmann 1970 besorgt: Vgl. Kant, AA, XXVIII, 2,1, 949–961. Diese Version hat Ulrich Gaier nach Vergleich mit den Handschriften verbessern können. Vgl. FH A, I, 9–21.
Hans Dietrich Irmscher, “Johann Gottfried Herder,” Deutsche Dichter des 18. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk, unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hrsg. Benno von Wiese (1977), S. 528.
Christian Wolff, Vernünfftige Gedancken von dem Gebrauche der Theile in Menschen, Thieren und Pflantzen, Nachdruck der Ausgabe 1725 (1980), hrsg. Ch.A. Corr, Gesammelte Werke, hrsg. J. Ecole u.a., I. Abt., Bd. VIII (Deutsche Physiologie), § 127, S. 329.
Adam Bernd, Eigene Lebens-Beschreibung [1738], mit einem Nachwort … hrsg. V. Hoffmann (1973). — Vgl. zu Adam Bernd: Hans-Jürgen Schings, Melancholie und Aufklärung: Melancholiker und ihre Kritiker in Erfahrungsseelenkunde und Literatur des 18. Jahrhunderts (1977), S. 97ff.
Vgl. zur Analogie bei Herder: Hans Dietrich Irmscher, “Beobachtungen zur Funktion der Analogie im Denken Herders”, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 55 (1981), 64–97, 65.
Vgl. Hayden White, “Das Irrationale und das Problem historischer Erkenntnis in der Aufklärung [1972],” Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen: Studien zur Tropologie des historischen Diskurses, Einführung Reinhart Koselleck (1986), 161–176, 164.
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Adler, H. Fundus Animae — der Grund der Seele Zur Gnoseologie des Dunklen in der Aufklärung. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 62, 197–220 (1988). https://doi.org/10.1007/BF03375989
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF03375989