Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird auf die kulturelle und diskursive Bedeutung von Kindheit in der Gesellschaft fokussiert und danach gefragt, inwiefern sich in den Medien der sich in den Sozialwissenschaften abzeichnende Paradigmenwechsel, nämlich Kinder als eigenständige Akteure und Subjekte ihres Lebens zu betrachten, zeigt. Dazu wird exemplarisch auf der Grundlage eines Samples aus auflagenstarken Tages- und Wochenzeitungen der Schweiz aus dem Jahr 2018 untersucht, wie über Kinder und Kindheiten geschrieben wird. Aus einer diskursanalytischen Perspektive wird das Ziel verfolgt, Einblick in das «Sprechen über» die Phänomene «Kind/Kindheiten» in den Medien zu gewähren. Es zeigt sich, dass «Kind/Kindheiten» in den ausgewählten Schweizer Zeitungen im Rahmen ihrer politischen Positionierung bearbeitet, mitunter zu politischen Zwecken instrumentalisiert werden und generationale Ordnungsvorstellungen, wie bspw. Schutzbedürftigkeit, Unschuld u. a. mittransportiert werden. Texte, in denen das Kind spricht und seine Erfahrungen einbringt, bleiben marginal. Die ausgewählten Artikel aus den Schweizer Zeitungen verdeutlichen, dass die generationale (aber auch familiäre und geschlechtliche) Ordnung im Sinne einer «natürlichen» Tatsache dargestellt, durch Expertenaussagen untermauert und in diesem Sinne reproduziert wird.
«Man kennt die Kindheit nicht: mit den falschen Vorstellungen, die man von ihr hat, verirrt man sich um so mehr, je weiter man geht. Die Klügsten bedenken nur, was Erwachsene wissen müssen, aber nicht, was Kinder aufzunehmen imstande sind»
(Rousseau, 1995 [1762], S. 5).
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Notes
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In unserer Recherche haben wir uns auf fünf auflagenstarke Zeitungen mit großer Reichweite fokussiert. Die Zeitungen erscheinen nicht nur in gedruckter Form, sondern die Artikel sind ebenso im online Format einsehbar.
- 2.
Swissdox ist eine online-Mediendatenbank mit einer breiten Abdeckung der Schweizer Medienlandschaft. Sie wurde als Tochtergesellschaft der Schweizerischen Mediendatenbank (SMD) 2002 gegründet. Die Datenbank ermöglicht einen Zugriff auf die online Version, den elektronischen Volltext im HTML-Format oder die Zeitungsoriginalseite im JPG Format (siehe http://swissdox.ch letzter Zugriff 5.07.2021).
- 3.
https://www.woz.ch/info/woz letzter Zugriff 3.08.2021.
- 4.
https://www.weltwoche.ch/ueber-uns/geschichte.html letzter Zugriff 3.08.2021.
- 5.
https://unternehmen.nzz.ch/unternehmen/kurzprofil/ letzter Zugriff 3.08.2021.
- 6.
https://www.20min.ch letzter Zugriff 3.08.2021.
- 7.
https://www.ringier-advertising.ch/portfolio/print/blick/ letzter Zugriff 3.08.2021.
- 8.
Bei den «Aeschlimann-Kindern» handelte es sich um ein in den 1960er-Jahren entstandenes Hilfsprojekt des Schweizer Industriellen Charles Aeschlimann. Er entschied sich nach dem von der chinesischen Armee 1959 niedergeschlagenen Aufstand, welcher zur Flucht und Not von zehntausenden Tibeter*innen führte, zu helfen, indem er Kinder in Schweizer Pflegefamilien vermittelte. Die Pflegekinder-Aktion wurde im Buch von Bitter und Nad-Abonji (2018), welches im zitierten Artikel besprochen wird, kritisch aufgearbeitet.
Literatur
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Campanello, M.V., Sprecher, P. (2023). Zwischen dem Rauschen im Blätterwald: Eine diskursanalytische Untersuchung medialer Perspektiven auf Kinder und Kindheiten. In: Heite, C., Magyar-Haas, V. (eds) Kindheit(en) im Blick zeitgenössischer Forschungen. Zürcher Begegnungen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41552-5_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-41552-5_7
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-41551-8
Online ISBN: 978-3-658-41552-5
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