Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen des internationalen Lernens in der Migrationspolitik. Aufbauend auf die Dokumentenanalyse und Feldforschung in den drei Einwanderungsländern Australien, Kanada, und Deutschland werden länderspezifische Unterschiede in Diskursen, politischen Kulturen und Pfadabhängigkeiten beleuchtet, die einfache copy-paste Lösungen illusorisch erscheinen lassen. Am illustrativen Beispiel des Vergleichs der Asylsysteme in Kanada und Deutschland werden die Bedingungen herausgearbeitet, unter denen die Auseinandersetzung mit der Migrationspolitik der klassischen Einwanderungsländer für Deutschland dennoch sinnvoll sein könnte.
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Notes
- 1.
Der innenpolitische Wunsch nach Alleingängen in der Migrationssteuerung muss durch die Verlagerung wichtiger Kompetenzen auf die EU Ebene bereits als weitgehend illusorisch betrachtet werden (Thym 2017).
- 2.
Als resettlement wird die gezielte Umsiedlung aus den Erstaufnahmeländern verstanden. Dies umfasst sowohl spezielle Programme wie die für syrische Staatsangehörige seit 2015, als auch längerfristig geltende jährliche Kontingente und ist in beiden Vergleichsländern traditionell fest verankert. Besonders interessant ist das kanadische Modell des private sponsorship, welches diese Aufgabe teilprivatisiert: Es bietet Neuankömmlingen nicht nur finanzielle Sicherheit im ersten Jahr, sondern von Anfang an Anknüpfungspunkte in die Gesellschaft: soziale Kontakte, Netzwerke, und womöglich bereits erste geschäftliche Beziehungen.
- 3.
Der australische Fall muss aufgrund seiner sehr spezifischen Entwicklungen in dieser Hinsicht als extremer Ausreißer gesehen werden, weshalb sich ein Vergleich nur punktuell anbieten würde.
- 4.
Hierfür waren übrigens die Städte wichtige Motoren, da diese in Kanada die Sozialhilfe zahlen müssen und somit an einer möglichst geringen Arbeitslosigkeit interessiert sind. Ähnliches ist in Australien nur für diejenigen feststellbar, die per Flugzeug einreisten und nach anfänglicher Inhaftierung für schutzwürdig befunden werden. Die Bootsankünfte sind jedoch generell vom freien Leben auf dem Festland ausgeschlossen.
- 5.
Die im Sinne schneller ‚Integration‘ kontraproduktive Vorrangprüfung wurde inzwischen zumindest in großen Teilen Deutschlands ausgesetzt.
- 6.
Wesentlich höher noch sind die Zahlen ‚freiwilliger‘ Rückkehr. Doch auch diese Rückkehrentscheidungen werden unter dem faktischen Zwang getroffen, einer Abschiebung entgehen zu müssen.
- 7.
An dieser Stelle muss zuletzt aber auch das deutsche Spezifikum des ‚Nicht-Status‘ der Duldung erwähnt werden, welche in der Tat ein Massenphänomen darstellt. Insbesondere die rechtliche Ungewissheit und der weitgehende Mangel an Unterstützungsleistungen für diese Personengruppe führen zu anhaltender Prekarität am Rande der deutschen Gesellschaft.
- 8.
Ein weiterer Unterschied findet sich in diesem Zusammenhang in der Akteurskonstellation: In Deutschland existieren viel weniger einflussreiche Migrant*innen-Selbstorganisationen, u. A., weil die integrative Stärke von Wohlfahrtsverbänden und Kommunen die Notwendigkeit zur Selbstorganisation reduzierte, was einem frühzeitigen empowerment allerdings entgegengewirkt haben mag (Hoesch 2018, S. 155 ff.).
Literatur
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Wiese, L. (2020). Was Einwanderungsländer (nicht) voneinander lernen können – ein Blick hinter die Kulissen Kanadas, Australiens und Deutschlands. In: Pioch, R., Toens, K. (eds) Innovation und Legitimation in der Migrationspolitik. Studien zur Migrations- und Integrationspolitik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30097-5_3
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