Zusammenfassung
Die Verbindung empirischer Beobachtungen mit theoretischen Konzepten durch empirische (Sozial)Forschung ist alles andere als ein trivialer Vorgang – und dies sowohl unter wissenschaftstheoretischer als auch unter forschungspraktischer Perspektive. Die klassischen qualitativen und quantitativen Ansätze der empirischen Sozialforschung bieten für die Probleme des Theorie-Empirie-Bezugs vordergründig einfache und überzeugende Lösungen an: sei es, dass in der quantitativen Forschung versucht wird, diese Problematiken durch eine valide Operationalisierung theoretischer Konzepte zu reduzieren, sei es, dass in der qualitativen Forschung empirische Beobachtungen Grundlage für eine (oft fälschlich als „induktiv“ bezeichneten) Theoriegenerierung bieten sollen. Eine große Bandbreite unterschiedlicher Forschungsziele, bei denen die theoretische Anschlussfähigkeit empirischer Daten eine wichtige Rolle spielt, lassen sich jedoch nicht mit diesen idealtypischen und einfachen Modellen des empirischen Forschungsprozesses (theorietestend vs. theoriegenerierend) erreichen. Dies gilt für beide methodologische Lager, also für qualitative und quantitative Forschung gleichermaßen: so operieren quantitativ orientierte Forscher oft mit Konzepten oder in Forschungsfeldern (wie sie etwa Organisationen darstellen), in denen zentrale Phänomene einer einfachen Operationalisierung nicht auf Anhieb zugänglich sind, und qualitativ orientierte Forscher verfolgen oftmals andere Ziele als die empirisch angeleitete Entdeckung und Ausarbeitung einer neuen Theorie. Für solche Forschungsziele bietet sich die Verwendung heuristisch-analytischer Rahmenkonzepte an, mit deren Hilfe der beschriebene Prozess einer Semi-Operationalisierung durchgeführt werden kann. Im Kontext der Organisationsforschung kann etwa die skizzierte Verbindung der Konzepte „Subjektive Theorien“ und „Programmtheorien“ ein solches heuristisch-analytisches Rahmenkonzept liefern. Dieses ermöglicht dann einerseits die Explikation relevanter Kriterien für die Analyse von Organisationsprozessen ex ante und liefert andererseits Kategorien für die Ordnung, Beschreibung und Analyse vielfältiger (bereits vorliegender) empirischer Datenbestände. Dadurch ermöglicht die Anwendung des Konzepts der subjektiven Programmtheorien eine sowohl theoretisch angeleitete als auch empirisch begründete Konstruktion von informationshaltigen Aussagen über konkrete Handlungsfelder.
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Notes
- 1.
Das Projekt wird vom BMBF im Rahmen der Förderlinie „Leistungsbewertung in der Wissenschaft“ gefördert (Förderkennzeichen 01PY13003) und ist ein Verbundprojekt der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und Universität Potsdam.
- 2.
- 3.
Weber konstatiert jedoch auch, dass nach der Definition von Nystrom und Starbuck (1984) auch ein gegenseitiger Bezug hergestellt werden kann, indem subjektive Theorien ein Bestandteil von beliefs sind. Genau wie Weber gehen wir aber für das WiQu Projekt davon aus, dass einige Bestandteile subjektiver Theorien als beliefs bezeichnet werden können und subjektive Organisationstheorien damit als eine Art „Belief System“, also als ein System von Annahmen und Aussagen über eine Organisation oder Organisationsbestandteile betrachtet werden können.
- 4.
Scheele und Groben sind der Ansicht, ihr Verfahren sei geeignet, den Methodendualismus in den Sozialwissenschaften zu überwinden, weil sie auch Konzepte aus der hermeneutischen Tradition aufnehmen. Für eine detaillierte Auseinandersetzung siehe Groeben et al. (1988).
- 5.
Weber (1991, S. 143 ff.) beschreibt weitere (zumeist methodenkombinierende) Verfahren, die neben Befragungstechniken auch Beobachtungsmethoden oder Computerunterstützung vorsehen. Eine ausführliche Darstellung verschiedenster Erhebungsmethoden zur Rekonstruktion subjektiver Theorien findet sich auch bei Janetzko (2007, Kap. 5).
- 6.
Der im Projekt verwendete Leitfaden weist solche Umsetzungen an verschiedenen Stellen auf. Da jedoch die Rekonstruktion subjektiver Theorien nicht das ausschließliche Ziel ist, wird diese Dreiteilung der Fragetypen nicht an jeder Stelle konsequent durchgehalten. Konzepte, die so abgefragt werden, sind neben dem Qualitätsmanagement: Evaluation, Aktivitäten bzw. Prozesse im Qualitätsmanagement sowie Kompetenzen von Beschäftigten im QM-System.
- 7.
Zur Geschichte des Begriffes und seine Einordnung in die Diskussion um Theoriebasierung in der Evaluation siehe auch Giel (2013, S 166 ff.).
- 8.
Patton unterscheidet drei Ansätze: den deduktiven, den induktiven und den nutzerzentrierten, wobei die Einordnung von Programmtheorien als „espoused theory of action“ unter dem nutzerzentrierten diskutiert wird.
- 9.
Einen guten Überblick über logische Modelle und ihre Bedeutung für Evaluationen liefern McLaughlin und Jordan (1999).
- 10.
Im deutschen Sprachraum weit verbreitet ist der Programmbaum von Beywl (2006).
- 11.
Diese Einschränkung ist in erster Linie forschungspraktischen Gründen geschuldet. Eine Eingrenzung auf einen bestimmten Personenkreis war von vorne herein notwendig und ist auf die Fragestellung des Projektes zurückzuführen. Eine umfassende Analyse von Wirkungen würde allerdings erfordern, weitere Stakeholder, die direkt oder indirekt an Qualitätssicherungsmaßnahmen beteiligt oder Adressaten dieser Maßnahmen sind, in den Forschungsprozess einzubeziehen.
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Reith, F., Kelle, U. (2016). Subjektive Programmtheorien als heuristisch-analytische Rahmenkonzepte zur Semi-Operationalisierung in der Organisationsforschung. In: Liebig, S., Matiaske, W. (eds) Methodische Probleme in der empirischen Organisationsforschung. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08713-5_5
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