Zusammenfassung
Wenn wir uns der schleswig-holsteinischen Westküste nähern, so begeben wir uns in eine Welt, die ihresgleichen nicht kennt. Die karge, windige, eintönige, flache, melancholische Landschaft wird konterkariert durch die dramatischsten und abwechslungsreichsten Wolkengebilde, die wir je gesehen haben. Plötzlich scheint dann diese Welt zu Ende, wie abgeschnitten durch hohe, gerade Deiche, die Nachfahren älterer, noch hier und da sichtbarer Bollwerke gegen das Meer. Ihnen ist kaum anzusehen, daß sie das gewaltigste Bauwerk früherer Jahrhunderte sind, mit dem sich nur noch die Chinesische Mauer vergleichen läßt. Wogegen die Menschen dieses Landes solche Anstrengungen unternommen haben, wird klar, wenn wir über die Deichkrone blicken, hinter der in 2 Etappen menschenmordender Sturmkatastrophen, den „Mannsdränken“ von 1362 und 1634, ein Land untergegangen ist. Wir können das seltsame und in der Welt einzigartige Schauspiel betrachten, daß alle paar Stunden bis zum Horizont Meer und Land abwechseln, eine Region, die, so unwirtlich sie scheint, die belebteste auf diesem Planeten ist. Nur für Menschen scheint sie ungeeignet. Aber mittendrin, umrahmt von größeren Inseln und Halbinseln, gibt es einige flache Grashügel, auf denen sich seit Jahrhunderten Menschen halten. Sie scheinen, wenn das Wasser gestiegen ist, samt ihren Häusern im Wasser zu schwimmen. Wie das Watt um diese kleine Eilande herum ist auch dieser menschliche Lebensraum einmalig, ein absurder, ausgesetzter, stets bedrohter kleiner Archipel, zum Greifen nah und doch fern und unwirklich. Schon früher muß der Anblick dieser Behausungen im Meer die Fremden seltsam angemutet haben. Plinius der Jüngere sprach von Menschen, die bei Flut wie Seefahrer seien, bei Ebbe wie Schiffbrüchige und die an ihrer kargen Erde festhalten. Er sprach auch von einem untergegangenen Land.
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Brähler E, Scheer J (1983) Der Gießener Beschwerdebogen. Handbuch. Huber, Bern Stuttgart Wien
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Loy, H., Prose, F., Speidel, H. (1989). Psychosomatische Reise zum schleswig-holsteinischen Archipel. In: Speidel, H., Strauß, B. (eds) Zukunftsaufgaben der psychosomatischen Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-73842-5_46
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