Zusammenfassung
„Sie ist schon überall, egal, ob in Softwareunternehmen oder in der Medienbranche, bei Versicherungsmaklern, Konzern-Managern, Audi-Arbeitern, Eliteathleten, Studenten oder Schulrektoren: Die bislang versteckte Krankheit Depression grassiert immer sichtbarer und erzwingt den millionenfachen Ausstieg. Nichts geht mehr. Schlaflosigkeit, Schattenwelten, Apathie, Schmerzen, Ängste, Panik und das Gefühl der Ohnmacht, es nicht mehr bis zum nächsten Moment schaffen zu können, werden zum versteinerten Alltag.“ Mit diesen Worten beginnt Ines Geipel, ehemalige DDR-Leistungssportlerin und heute Schriftstellerin, ihr Buch über den Zusammenhang zwischen Depression und Leistungsdruck (Geipel 2010: 7); es ist wesentlich durch die Selbsttötung des Hannoveranischen Fußballtorwarts Robert Enke im Oktober 2009 veranlasst, mit dem die Autorin eine gemeinsame Spitzenathleten-Vergangenheit des extremen Leistungsdrucks und entsprechender Versagensängste teilt. Dass am Tag nach seinem Tod seine Witwe öffentlich im Fernsehen über Enkes Depression, den gemeinsamen Kampf dagegen und die letztendliche Niederlage sprach und dass wenig später in einem Fußballstadion 40.000 Fußballfans an einer bewegenden Trauerfeier für ein Depressionsopfer teilnahmen, signalisiert eine deutliche Veränderung in dem, was in der deutschen Öffentlichkeit als akzeptables Thema gilt. Man sollte sich über die Konsequenzen im extrem konkurrenz-geprägten Wirtschaftssystem des Profi-Fußballs keinerlei Illusionen machen; dass die Person des Münchener Fußballprofis Sebastian Deisler, der 2007 wegen öffentlich bekannter Depressionen (nachdem er schon 2003 aus diesem Grund ausgesetzt hatte) aus dem Profi-Fußball ausgeschieden ist, völlig in der Versenkung verschwunden ist, spricht für sich. Trotzdem kommt dieser neuen Dimension der Öffentlichkeit für eine viele Jahre lang tabuisierte Krankheit eine erhebliche Aussagekraft über gesellschaftliche Veränderungen zu, die weit über Fußball und Spitzensport hinausgehen. Depressionen sind offensichtlich zum nicht mehr ignorierbaren gesellschaftlichen Massenphänomen geworden, das zudem wegen seiner wirtschaftlichen Auswirkungen zwangsläufig Aufmerksamkeit einfordert. Diese soll in diesem Beitrag auf die Arbeitswelt, einen bislang eher unterbelichteten Bereich der Verursachung depressiver Erkrankungen, gelenkt werden und für die Frage interessiert werden, ob und inwiefern hier gesellschaftliche Strukturveränderungen und Entwicklungstendenzen Ausdruck finden, die uns über den engeren Bereich von Arbeit und Beschäftigung hinaus Erkenntnisse über unsere gegenwärtige Gesellschaft gewinnen lassen. Folgendes soll dargestellt werden:
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Schmiede, R. (2011). Macht Arbeit depressiv? Psychische Erkrankungen im flexiblen Kapitalismus. In: Koppetsch, C. (eds) Nachrichten aus den Innenwelten des Kapitalismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93482-2_6
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