Zusammenfassung
Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen von Behinderung erfolgt funktionsgemäß vor allem in den Bereichen der Sonder- bzw. Integrations- bzw. Rehabilitationspädagogik sowie der Sozialpädagogik (Wissenschaft), der Beschulung (Erziehung) der Sozialarbeit (Soziale Unterstützung) und der Sozialpolitik (Politik). In der Soziologie wird es kaum, und wenn überhaupt, nur als Randerscheinung behandelt (Bendel 1999), eine organisations- bzw. managementtheoretische Auseinandersetzung fehlt; es scheint hier vor allem an Anlässen und sinnhaften Bezügen zu aktuellen Problemen zu mangeln. Nun verkörpert Sinn als Kategorie immer die Selektion aus einer Fülle von prinzipiell Möglichem und so soll im Folgenden ein organisationstheoretischer Zugriff darauf in der Vermutung einiger nicht nur „sinnvoller“, sondern auch überaus nützlicher Bezüge für Organisationstheorie und Integrationspraxis versucht werden. Vermutet werden mehrere Aspekte: Zunächst wird am Begriff von Behinderung ein Stück jüngster sozialwissenschaftlicher Wissenschaftsgeschichte sichtbar. Weiterhin – und das dürfte die organisationstheoretisch und soziologisch interessante Vermutung sein – wirkt Behinderung bei der Analyse von (organisationalen) Sinnprozessen als eine Art „Treibmittel“, das prinzipiell ablaufende Prozesse, Zusammenhänge und Phänomene sehr kontrastreich und feinkörnig hervortreten lässt. Schließlich eröffnet sich auch aus interventionistischer Sicht ein anders gelagerter, wenn auch keineswegs einfacherer Zugang.
Leicht überarbeitete und gekürzte Fassung aus: Soziale Probleme 13/2 (2002): 185–200.
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Wetzel, R. (2010). Zur organisationalen Verfertigung von Behinderung. In: Groenemeyer, A. (eds) Doing Social Problems. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92310-9_3
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