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Die Print-Reportage: Genrekonventionen aus Reportersicht

The print reportage: genre conventions from the reporters’ perspective

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Publizistik Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

An Lehrbüchern zur printjournalistischen „Königsdisziplin Reportage“ herrscht kein Mangel. Inwieweit die unterbreiteten Einordnungen und Anleitungen in der Praxis auf Zustimmung treffen, ist in der berufsorientierten Journalistik kaum untersucht. Um diese Lücke zu schließen und die Empfehlungen einschlägiger Reportage-Lehrbücher mit der Sichtweise von Reporterinnen und Reportern abzugleichen, wurde für die vorliegende Studie eine Umfrage durchgeführt und dazu ein mehrstufiges Methodendesign eingesetzt. Am Anfang stand eine Literaturrecherche zu jüngeren deutschsprachigen Titeln der Reportage-Anleitungsliteratur; dann wurden aus ausgewählten Titeln die Kernaussagen zu grundlegenden Fragen der Erzählform Reportage extrahiert und den Praktikerinnen und Praktikern in einer Umfrage anschließend zur Bewertung vorgelegt. Dabei interessierten insbesondere die Frage der Praxistauglichkeit formaler und funktionaler Reportage-Definitionsansätze sowie die Frage nach einem dramaturgischen Grundmuster der Reportage-Narration. Im Ergebnis zeigt sich, dass in der Profession – bei allem Variantenreichtum – eine übereinstimmende Sicht auf die Form und ihre Standards existiert.

Abstract

There are lots of textbooks on writing reportages in the so-called practitioners’ literature. Whether and how the classifications and instructions are in line with professional practice is rarely explored. In order to compare the recommendations of reportage textbooks with the views of reporters, we conducted a survey and used a multistep methods design: The first step was to identify the complete German-language reportage instructions literature. In the second step, the key statements about fundamental questions of narrative reportage were extracted from selected titles. Finally, these key statements were presented to reporters in a survey. The study focused in particular on the question of the professional relevance of formal and functional report definitions and on the question of standard dramaturgical patterns in reportage narratives. In summary, there’s a broad consensus in the profession with regard to the form and the standards of reportage narratives.

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Notes

  1. Hersey war neun Monate nach dem Bombenabwurf nach Japan gereist; seine Reportage rekonstruiert die Ereignisse und beginnt mit dem Moment der Atombombenexplosion.

  2. Ulrich Pätzold stellt 1999 fest, in der Journalistik sei es immer noch nicht selbstverständlich, „die Aufmerksamkeit auf eine journalistische Vermittlungsform zu lenken“ (Pätzold 1999, S. 145). Blöbaum und Neuhaus konstatieren 2003, dass es „über allgemeine Befunde hinaus Grenzbereiche zwischen Literatur und Journalismus gibt, die bislang wenig erforscht sind“ (Blöbaum und Neuhaus 2003, S. 7).

  3. Für jüngere Tendenzen zum Wandel der Reportage vgl. Oels et al. (2009).

  4. Das Reporter-Forum e. V. ist eine Initiative von Reportern für Reporter und vergibt seit 2007 jährlich den Deutschen Reporterpreis.

  5. Das Jahr 1999 wurde als Beginn des Untersuchungszeitfensters festgelegt, um die Studie zeitlich an Hannes Haas’ summarische Erörterungen über die Definitionen der Reportage anzuschließen (vgl. Haas 1999, S. 233–238) und insbesondere die in der Folge publizierten definitorischen Annäherungen zu fokussieren.

  6. Studentische Mitarbeit: Malte Buddensiek, Felix Grohmann, Matthias Korb, Pia Maack, Thilo Prange, Mandy Rutkowski, Katharina Schneider, Vincent Vietmeyer.

  7. Im Vorwort zur ersten Auflage von „Die Reportage“ schreibt Haller, Aufgabe seines Handbuchs sei es, Kriterien herauszuarbeiten, die festlegen, wann eine Reportage eine Reportage ist. Das sei ein „(…) heikles Unterfangen: Erfahrene Journalisten könnten dies als Reglementierung der subjektivsten aller Darstellungsformen empfinden, Anfänger als Mangel an rezeptivem Nutzwert“ (Haller 2008, S. 13).

  8. Christoph Fasel und Volker Wolff berufen sich explizit auf diese funktionale Annäherung. Wolff fasst es in eigener Diktion zusammen: „Gelungene Reportagen (…) nehmen ihren Leser mit auf eine Reise. Genau darin besteht ihre Funktion: Für den Leser Distanz zu überbrücken und ihn ein Geschehen selbst erleben zu lassen.“ (Wolff 2011, S. 189) Auch Peter Linden formuliert seine Sicht auf die Form funktionsorientiert: „Die Reportage leuchtet von innen aus, was zuvor nur von außen beschrieben wurde. Sie lässt erleben, was der Leser zuvor nur erfahren konnte.“ (Linden 2012, S. 3) Schneider und Raue wiederum sehen die Funktion direkt publikumsbezogen: „Leser schätzen die Reportage mehr als die Nachricht, weil die Reportage ihnen die Chance bietet, ein Geschehen zu verfolgen, als wären sie dabei. So lässt der Reporter den Leser über die Schulter schauen.“ (Schneider und Raue 2012, S. 108) Kai Hermann hingegen begreift die Reportage formal weitgefasst: „Eine Reportage ist eine erzählte Geschichte, eine Geschichte von Menschen, von den Schicksalen dieser Menschen, von heldenhaften, exotischen oder von gemeinen – und auch immer von der Gesellschaft, in der diese Menschen leben.“ (Hermann 2001, S. 19–20) Fey und Schlüter beziehen sich auf das Fischer Lexikon Publizistik; dort heißt es: „Die Reportage ist ein tatsachenorientierter, aber persönlich gefärbter Erlebnisbericht, besonders über Handlungen.“ (zitiert nach Fey und Schlüter 1999, S. 23)

  9. Die Kamera-Metapher wird in der Reportage-Debatte bereits seit Ende der 1920er Jahre verwendet (vgl. Haas 1999, S. 238).

  10. Die Grundannahme eines Wechsels von Szenen und informierenden Absätzen findet sich auch in den anderen Quellen: Zum Beispiel in den Empfehlungen von Spiegel-Reporter Cordt Schnibben (http://www.reporter-forum.de/fileadmin/pdf/35_fragen.pdf. Zugegriffen: 11. Feb. 2013). Schnibben stellt dort die Selbstkontrollfrage: „Hat der Text den richtigen Rhythmus zwischen Szenen und informativen Absätzen?“ Oder bei Claudia Mast: „Eines der wichtigsten Stilmittel der Reportage ist der Wechsel (…): Wechsel der Perspektive (von außen/Betroffener), Wechsel von Naheinstellung und Gesamtansicht (Einzelfall/Allgemeines), Wechsel der Aktualität (aktuell/latent aktuell), Wechsel der Tempi (Präsens/Perfekt) sowie Wechsel der formalen Mittel (Erlebnisbericht/Stimmungsbild/Zitate/Dokumentation).“ (Mast 1994, S. 194)

  11. Zum Beispiel: Worin bleibt in diesem Muster ein Unterschied zum Feature feststellbar? Sollten „Informationsteile“ nicht besser „einordnende Szenen“ oder „Moderationen“ heißen (Linden 2012, S. 8)? Sind die zugewiesenen Funktionen für die „Informationsteile“ angemessen (etwa: „Zukunftsausblick durch Experten“)?

  12. Brunold notiert zum dramaturgischen Kernprinzip: „Verdunkelung ist erklärtermaßen das Element des Genres [der Detektivgeschichte; Ergänzung durch den Autor]. In der Wirklichkeit und Nonfiction dagegen wäre kein Plot nirgendwo? Und in der Reportage deshalb keine Spur jenes Elixiers der Elixiere namens Suspense?“ (Brunold 2009, S. 600)

  13. Durchschnittlich hat die Teilgruppe der Befragten mit Journalistik-, Kommunikationswissenschaft- oder Publizistik-Studium gut 9 Jahre Berufserfahrung, die Teilgruppe mit anderem Bildungsweg knapp 14 Jahre. Für die Teilgruppe „mit Journalistik, KW oder Publizistik als Studienfach“ gilt: Wer mehr als 23 Berufsjahre nennt, hat weder Journalistik noch Publizistik oder Kommunikationswissenschaft studiert; dabei streut das Merkmal relativ gleichbleibend über die Berufsjahre 1 bis 23. Für dieses Teilnehmerfeld ist das Jahr 1990 also eine Zäsur.

  14. Das Reporterforum etwa vergibt bereits seit 2009 einen Preis auch in der Kategorie „Webreportage“.

  15. Erinnert sei an die Aberkennung des Henri-Nannen-Preises für einen Spiegel-Reporter im Jahr 2011: Die Jury hatte damals ein politisches Porträt als beste Reportage ausgezeichnet; der Einstieg der Geschichte war eine Rekonstruktion, die Rekonstruktion allerdings für den Leser nicht zu erkennen.

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Heijnk, S. Die Print-Reportage: Genrekonventionen aus Reportersicht. Publizistik 59, 135–157 (2014). https://doi.org/10.1007/s11616-014-0202-8

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