Eine derzeit intensiv diskutierte Initiative europäischer und afrikanischer Staaten hat zum Ziel, die Zusammenarbeit bei der Erforschung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu verbessern sowie die Durchführung von klinischen Studien zu erleichtern (EDCTP: European Developing Countries Clinical Trials Platform). Dabei stehen die armutsassoziierten Infektionskrankheiten—AIDS, Tuberkulose und Malaria—im Mittelpunkt. Tuberkulose ist die bakterielle Infektionskrankheit mit den weltweit meisten Erkrankungs- und Todesfällen und stellt nicht nur in Ländern der Dritten Welt, sondern zunehmend auch in Industrieländern ein ernstes sozioökonomisches Problem dar.

Weltweit sind rund 20 Mio. Menschen an aktiver Lungentuberkulose erkrankt. Jährlich kommen etwa 8 Mio. Neuerkrankungen hinzu, also alle 4 s ein neuer Krankheitsfall. Jedes Jahr sterben 2,2 Mio. Menschen an den Folgen der Tuberkulose, davon mehr als 0,5 Millionen nach einer Koinfektion von M. tuberculosis mit HIV [50].

Dies entspricht der Ausrottung der Bevölkerung Berlins im Rhythmus von weniger als 2 Jahren oder einem Tuberkulosetoten alle 14 s.

Diese Zahlen unterstreichen eindrücklich die Bedeutung der Suche nach geeigneten Mitteln zur Behandlung und Prävention dieser globalen Seuche.

Induktion der Immunantwort

M. tuberculosis wird per Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen (Abb. 1). In den meisten Fällen werden diese Tröpfchen bereits in den Bronchien oder Alveolen unschädlich gemacht bzw. mechanisch durch Zilien aus dem Bronchialsystem entfernt. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion hängt stark von Umweltfaktoren, Häufigkeit und Dauer der Exposition sowie Konzentration und Größe der erregerhaltigen Tröpfchen ab, wird aber insgesamt als sehr gering eingeschätzt. Von allen Infizierten können 90% den Tuberkuloseausbruch durch die eigene Immunantwort verhindern, sodass die Infektion klinisch inapparent bleibt.

Abb. 1.
figure 1

Das Gleichgewicht zwischen M. tuberculosis und dem Immunsystem: Reaktivierung vs. Reinfektion. (Mod. nach [45])

Rezeptorvermittelte Phagozytose

Die lungenständigen Alveolarmakrophagen und dendritischen Zellen stellen die erste Verteidigungslinie gegen M. tuberculosis dar. Sie phagozytieren die eingedrungenen Mykobakterien, können sie aber intrazellulär nicht abtöten. Weitere Makrophagen und dendritische Zellen, die an den Ort der Infektion gerufen werden, sind auch nicht in der Lage, die Erreger vollständig zu eliminieren. Die Phagozytose durch diese professionellen antigenpräsentierenden Zellen (APC) hängt nicht von spezifischen Invasionsstrategien seitens des Erregers ab und wird über verschiedene Oberflächenrezeptoren vermittelt (Abb. 2).

Abb. 2.
figure 2

Aufnahme von Mykobakterien durch Makrophagen, intrazelluläre Vorgänge, Aufnahme von antigenbeladenen Vesikeln durch dendritische Zellen

Dabei spielen besonders mustererkennende Rezeptoren eine wichtige Rolle, z. B. der Makrophagenmannoserezeptor (MMR) und CD14 [9, 11]. Weiterhin sind mindestens 3 Vertreter der Toll-like-Rezeptoren (TLR) an der Interaktion zwischen Makrophagen und Mykobakterien beteiligt. TLR-2 und -4 erkennen Zellwandbestandteile, z. B. Lipoarabinomannan (LAM) und verschiedene Lipoproteine [31, 32]. TLR-9 interagiert mit CpG (Cytosin-Guanin-Dinukleotiden) der mykobakteriellen DNA [21, 44]. Weitere Rezeptoren auf den Makrophagen erkennen Wirtsmoleküle, die zuvor auf der Oberfläche der Mykobakterien gebunden haben: Surfactant, Komplement und Antikörper (besonders IgG).

Die Wahl des Rezeptors für die Phagozytose beeinflusst die intrazelluläre Aktivierung. Fc-rezeptorvermittelte Aufnahme von IgG-opsonisierten Mykobakterien aktiviert die antimikrobiellen Abwehrsysteme der Makrophagen [2], die Aufnahme über Komplementrezeptor 3 (CR3) aktiviert hingegen keine Effektormechanismen. Dieser ermöglicht hingegen ein Einschleichen der Erreger in die Wirtszelle [27]. Membranständiges Cholesterol unterstützt das Andocken der Mykobakterien an die Makrophagen und ist am Einbau eines tryptophanaspartathaltigen Coatproteins (TACO) in die Phagosomenmembran beteiligt, das seinerseits die Reifung zum Phagolysosom verhindert [16].

Obwohl die genauen Mechanismen noch unbekannt sind, ist sicher, dass die Blockierung der Reifung mykobakterienhaltiger Phagosomen in einem frühen Stadium einen wesentlichen Überlebensmechanismus von M. tuberculosis darstellt. Eine wesentliche Funktion der infizierten Makrophagen ist deshalb, die intrazelluläre Mykobakterienfracht an einer weiteren Ausbreitung im Wirtsorganismus zu hindern und gleichzeitig mykobakterielles Antigen spezifischen T-Zellen zu präsentieren, um so eine adaptive Immunantwort einzuleiten. Die Sekretion von Zytokinen (Interleukin 12 und IL-18), die eine schützende Helfer-T-Zellantwort (TH1) stimulieren, sowie von kostimulatorischen Molekülen wie CD40 und B7, fördern die Aktivierung der spezifischen Immunantwort [14, 28].

Darüber hinaus löst M. tuberculosis in antigenpräsentierenden Zellen auch suppressive Signale aus: mykobakterielles LAM bindet an den Rezeptor DC-SIGN (DC-spezifisches ICAM3-greifendes Non-Integrin, CD209) und löst damit eine Sekretion des inhibitorischen Zytokins IL-10 aus [25, 43].

Das T-Zell-Repertoire

Obwohl Tuberkulosepatienten Antikörper gegen mykobakterielle Antigene bilden, scheinen B-Zellen am Immunschutz gegen M. tuberculosis keine tragende Rolle zu spielen. Wie Experimente in Tiermodellen eindeutig belegen, stellen T-Zellen die zentralen Schutzvermittler dar und sind gleichzeitig für die Pathologie der Tuberkulose in den Lungenläsionen verantwortlich [24].

T-Zellen stellen die zentralen Schutzvermittler dar

Nach Phagozytose verhindern die Tuberkuloseerreger ihren lysosomalen Abbau durch Arretierung der Phagosomenreifung in einer frühen Phase (s. oben) sowie durch Hemmung der Fusion von Phagosom und Lysosom. Trotzdem gelangen mykobakterielle Antigene zu MHC-Molekülen und werden auf der Oberfläche der infizierten Makrophagen präsentiert. Die Beladung der MHC-Klasse-II-Moleküle geschieht im MIIC-Kompartiment, in das alle exogenen Antigene über Vesikeltransfer ausgeschleust und so CD4 + T-Zellen präsentiert werden.

CD4+ T-Zellen stellen für die erfolgreiche Immunabwehr die wichtigste T-Zellpopulation dar. In Tiermodellen und auch im Menschen konnte jedoch gezeigt werden, dass darüber hinaus CD8 + T-Zellen an der Immunantwort maßgeblich beteiligt sind [47]. Ihre Aktivierung ist von der Präsentation mykobakterieller Antigene über MHC-Klasse-I-Moleküle abhängig. Das setzt voraus, dass Antigene den endogenen Prozessierungs- und Präsentationsweg erreichen. Dazu gibt es verschiedene Erklärungsmöglichkeiten. Mykobakterielle Antigene könnten über eine perforierte Phagosomenmembran ins Zytoplasma der Makrophagen gelangen und so über Proteasomenprozessierung und TAP ins endoplasmatische Retikulum und von dort auf die Zelloberfläche geschleust werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit des sog. "cross priming": infizierte Makrophagen präsentieren nicht selbst mykobakterielles Antigen an CD8+ T-Zellen, sondern gehen in Apoptose. Dabei entstehen Vesikel, die mit mykobakteriellen Bestandteilen beladen sind, die dann von dendritischen Zellen phagozytiert werden, die wiederum die Antigene auf MHC-Klasse-I- und -Klasse-II-Molekülen an CD8+ bzw. CD4+ T-Zellen präsentieren (s. Abb. 2, [37a]).

Neben der Aktivierung der konventionellen CD4+ und CD8+ T-Zellen, die meistens einen αβ-T-Zellrezeptor (αβ-TCR) tragen, werden auch unkonventionelle T-Zellen aktiviert. Dendritische Zellen verfügen neben den klassischen MHC-Molekülen über ein weiteres Antigenpräsentationssystem, die CD1-Moleküle (Übersicht in [35, 46]). Sie sind mit den MHC-Molekülen verwandt, werden aber in einer anderen Genregion kodiert (Chromosom 1) und sind nicht polymorph sondern hochkonserviert. In ihrer Struktur ähneln sie dem MHC-Klasse-I-Molekül, assoziieren auch mit β2-Mikroglobulin, verfügen aber über eine sehr viel engere und hydrophobere Bindungstasche für ihre Liganden. Die im Menschen vorhandenen Isoformen der CD1-Moleküle lassen sich in 2 Gruppen einteilen:

Gruppe-I-CD1-Moleküle (CD1a, -b und -c).

Diese werden auf professionellen APC exprimiert und sind durch Zytokinstimulation (GM-CSF und IL-4) stimulierbar. Sie präsentieren Lipide und Glykolipide aus der mykobakteriellen Zellwand (bisher sind keine Liganden aus anderen Bakterienspezies bekannt). Gruppe-I-CD1 fehlt in Mäusen und Ratten, wird aber z. B. in Meerschweinchen gefunden. Eine αβ-TCR-tragende T-Zellpopulation erkennt spezifisch mykobakterielle Lipide nur in Verbindung mit Gruppe-I-CD1-Molekülen. Es wird angenommen, dass diese CD1-restringierten T-Zellen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr gegen M. tuberculosis spielen. Auf mykobakterieninfizierten dendritischen Zellen ist die CD1-Expression herabgesetzt [42], ein indirektes Indiz dafür, dass M. tuberculosis eine Lipidantigenpräsentation möglichst vermeiden möchte.

Gruppe-II-CD1-Moleküle (CD1d).

Diese werden konstitutiv auf sehr vielen Zellen exprimiert. Kürzlich konnte ein erster mykobakterieller Ligand für Gruppe-II-CD1 identifiziert werden (Fischer et al., eingereicht). Gruppe-II-CD1-restringierte T-Zellen, v. a. NKT-Zellen, sind in der frühen Phase der mykobakteriellen Infektion möglicherweise von Bedeutung, da sie nur über ein eingeschränktes TCR-Repertoire verfügen und deshalb rasch über die nicht polymorphen Gruppe-II-CD1-Moleküle aktiviert werden können [10]. Sie nehmen wohl regulatorische Funktionen für die nachfolgende Aktivierung der konventionellen T-Zellen wahr (Abb. 3).

Abb. 3.
figure 3

Zeitlicher Verlauf der Beteiligung verschiedener Immunzellen bei der Tuberkuloseabwehr

Neben den αβ-TCR-tragenden T-Zellen sind auch γδ−TCR exprimierende T-Zellen für die frühe Phase der Immunantwort von Bedeutung (Abb. 3, Übersicht in [22, 33]). Ihr TCR-Repertoire ist ebenfalls limitiert, beim Menschen erkennen Vγ9δ2-T-Zellen spezifisch Phospholiganden, z. B. Isopentenylpyrophosphat, IPP. Der Mechanismus der Antigenpräsentation ist unklar, ein Präsentationsmolekül konnte bisher nicht identifiziert werden. Vγ9δ2-T-Zellen mit Spezifität für Phospholiganden finden sich nur in Primaten, nicht jedoch in der Maus oder im Meerschweinchen. Kürzlich konnte ihre Rolle bei der Tuberkuloseabwehr im Primatenmodell belegt werden [38].

Außer der klassischen MHC-Restriktion (MHC-Klasse I und II) gibt es nichtklassische MHC-Präsentationswege. Mindestens einer, der über HLA-E präsentierte formylierte Peptide CD8+ T-Zellen aktiviert, scheint bei der Immunantwort gegen M. tuberculosis eine besondere Rolle zu spielen [18].

Effektorfunktionen der T-Zellen

Produktion von Zytokinen

Infizierte Makrophagen und dendrititsche Zellen produzieren IL-12 und IL-18, die entscheidenden Zytokine bei der Immunaktivierung in Richtung einer TH1-Antwort (Übersicht in [14]), d. h. einer Produktion von Interferon γ (IFN-γ) durch aktivierte T-Zellen und eine verminderte Produktion der TH2-Zytokine IL-4 und IL-10. Weitere Zytokine wie Tumornekrosefaktor α (TNF-α), transformierender Wachstumsfaktor β (TGF-β) und Lymphotoxin α3 (LTα3) werden ebenfalls gebildet und spielen eine wichtige Rolle bei der Granulombildung (s. unten und Abb. 4).

Abb. 4.
figure 4

Immunologische Vorgänge im produktiven Granulom

TNF-α und IFN-γ wirken synergistisch [13] und aktivieren die APC, intermediäre Sauerstoff- (ROI) und Stickstoff- (RNI) Metabolite zu bilden, die die intrazellulären Mykobakterien angreifen (Übersicht in [29, 39]). TNF-α reguliert darüber hinaus die Expression von Chemokinrezeptoren und von Chemokinen, darunter MIP1-α, MIP1-β, MCP-1 und RANTES, die maßgeblich an der Rekrutierung von Immunzellen aus dem Blut zum Ort der lokalen Tuberkuloseinfektion im Lungengewebe beteiligt sind [4, 7, 15, 20, 49].

Neben der Aktivierung reaktiver Metabolite in APC über IFN-γ haben CD4+ T-Zellen weitere Funktionen bei der Immunantwort gegen M. tuberculosis [37]. Bei HIV-Patienten mit niedriger CD4-Zahl kann eine persistierende Tuberkulose leicht reaktiviert werden. Dies ist besonders häufig in Ländern der Dritten Welt zu beobachten, die an einer hohen Durchseuchung mit HIV und steigenden Inzidenzen von Tuberkulose leiden.

Zytotoxische Aktivität, immunologisches Gedächtnis

CD8+ T-Zellen haben neben der Zytokinproduktion (IFN-γ) v. a. die Aufgabe, infizierte Makrophagen abzutöten (s. Abb. 4), um die intrazellulären Erreger einem direkten Angriff mit lytischen Agenzien zugänglich zu machen. Die zytotoxische Aktivität wird über Fas/FasL-Interaktionen, Porine und Granzyme vermittelt [14, 41]. Durch die Freisetzung der Mykobakterien wird ihre Aufnahme durch kompetentere APC (wie Monozyten oder dendritische Zellen, s. oben) ermöglicht. Die zytotoxische Aktivität der CD8+ T-Zellen muss genau reguliert werden, um nicht durch eine Überaktivität eine Disseminierung von M. tuberculosis zu verursachen. Die genaue Rolle der CD8+ T-Zellen bei der Immunabwehr der Tuberkulose wird aber noch nicht vollständig verstanden.

Neben ihrer aktiven Rolle bei der Immunkontrolle der im menschlichen Körper persistierenden Tuberkuloseerreger bilden die beteiligten T-Zellen auch ein immunologisches Gedächtnis aus. Die Ausbildung von Gedächtnis-T-Zellen, die charakteristischerweise den CD45RO-Marker tragen, ist für eine dauerhafte Aufrechterhaltung einer kompetenten Immunabwehr essenziell, ihre Frequenzen können mit Hilfe der Tetramerfärbung untersucht werden und werden als Maß für die Langzeiteffektivität von möglichen neuen Impfstrategien im Tiermodell verwendet (s. unten).

Immunreaktionen im Granulom

Da der Erreger nicht vollständig eliminiert wird, muss sich das Immunsystem darauf beschränken, ihn am Ort der primären Infektion in der Lunge einzudämmen, um so sicherzustellen, dass er nicht in den übrigen Körper streut (Abb. 4 und 5). Die Eindämmung wird durch eine granulomatöse Reaktion am Ort der Infektion erzielt, die vom spezifischen Immunsystem vermittelt wird und charakteristisch für die Tuberkulose ist (Granulom = Tuberkel, also die anatomische Beschreibung von kleinen Knötchen).

Abb. 5.
figure 5

Histologisches Bild eines Granuloms

Mit M. tuberculosis beladene dendritische Zellen wandern in regionale Lymphknoten ein (Ghon-Komplex) und initiieren dort die Immunantwort, indem sie spezifische T-Zellen aktivieren, die wiederum nach Rezirkulation zum Ort der mykobakteriellen Infektion wandern. Das Granulom wird durch weitere, chemotaktisch angelockte Immunzellen aus der Blutbahn initiiert, die zusammen mit den infizierten Alveolarmakrophagen die erste zelluläre Akkumulation bilden, die von T-Zellen gesäumt wird. Infizierte Makrophagen differenzieren dabei in verschiedene weitere Formen wie Gewebsmakrophagen, Epitheloidzellen oder vielkernige Langhans-Riesenzellen.

Die zum Ort der Infektion rekrutierten T-Zellen sezernieren eine ganze Reihe von Zytokinen vom TH1-Typ (s. oben). Diese stimulieren infizierte APC, ihre Erreger intrazellulär abzutöten, oder aktivieren zytotoxische T-Zellen, infizierte Zellen anzugreifen. Ein charakteristisches Merkmal des tuberkulösen Granuloms ist die Ausbildung eines nekrotischen Zentrums, das aus abgetöteten Makrophagen, Zellbestandteilen und Mykobakterien besteht. M. tuberculosis ist in der Lage, sich unter diesen Bedingungen zu vermehren, und wir sind gerade erst dabei, die dafür notwendigen Mechanismen zu verstehen (s. unten).

Die Aktivierung von T-Zellen und Makrophagen muss genau reguliert sein, um sicherzustellen, dass die Integrität des Granuloms gewahrt bleibt.

TNF-α und LT-α3 sind für die äußere Abdichtung des Granuloms notwendig [1, 34]. Patienten mit rheumatoider Arthritis, die mit Anti-TNF-α-Antikörpern zur Verminderung der Entzündungsaktivität in ihren Gelenken behandelt werden, können auf diese Weise eine aktive Tuberkulose entwickeln, wenn sie inapparent infiziert sind [26, 30].

Bleibt das Granulom produktiv, d. h. intakt, bietet es die lokalen Voraussetzungen für eine effiziente Koordination der an der Immunabwehr beteiligten T-Zellen. Bei einem Überschießen zytotoxischer Mechanismen bzw. einem Nachlassen einer adäquaten Immunantwort, können sich die Erreger stark vermehren und aus dem Granulom ausbrechen. Durch Anschluss des Granuloms an das Bronchialsystem wird der Patient offen tuberkulös, M. tuberculosis ist im Sputum nachweisbar. Durch Arrosion von Blutgefäßen können Mykobakterien in den übrigen Körper streuen.

Granulome im Tiermodell

Der Vergleich menschlicher Granulome mit denen in Tiermodellen legt nahe, dass letztere nur ein sehr ungenaues Modell für die lokalen Immunprozesse darstellen, die sich während der Auseinandersetzung mit M. tuberculosis im Menschen abspielen. Das Immunsystem im Mausmodell ist zwar sehr gut charakterisiert, doch unterscheidet sich die Pathologie des Granuloms deutlich. Das Meerschweinchen ist in seiner Tuberkuloseempfänglichkeit dem Menschen eher vergleichbar, aber leider ist sein Immunsystem nicht gut untersucht. Das Primatenmodell käme am ehesten für Tuberkulosestudien in Frage, da hier auch humane Reagenzien verwendet werden können. Aus ethischen und finanziellen Gründen ist dieses Modell jedoch nur für ausgewählte Experimente einsetzbar.

Tiermodelle sind unerlässlich, um die grundsätzlichen Mechanismen der Immunantwort bei der Tuberkulose zu verstehen, und die meisten in diesem Artikel vorgestellten Immunmechanismen beruhen auf Erkenntnissen aus Tiermodellen. Hinzu kommen Untersuchungen mit Zellen und Gewebe von Tuberkulosepatienten, um die Tuberkulose zu verstehen und die Relevanz der Tiermodelle zu verifizieren. In Zusammenarbeit mit einem Tuberkuloseinstitut in Moskau arbeiten wir deshalb zzt. an menschlichem Lungengewebe, das Tuberkulosepatienten mit extensivem Befall multiresistenter M.-tuberculosis-Stämme chirurgisch entfernt wurde, um ihre Erregerlast zu senken (Abb. 5). Ergebnisse aus diesen Untersuchungen sollen neue Erkenntnisse zur lokalen Immunantwort im Patienten und zum Genexpressionsprofil von M. tuberculosis im menschlichen Granulom liefern.

Persistenz, Reaktivierung und Reinfektion

Wie oben beschrieben, ist die Immunantwort in den allermeisten Fällen durchaus in der Lage, die Erreger in Schach zu halten, d. h. den Ausbruch einer aktiven Tuberkulose erfolgreich zu verhindern. M. tuberculosis reagiert auf diese effiziente Immunantwort mit einer Veränderung seines Aktivitätszustands. Die Stoffwechselaktivität und die Replikationsrate werden stark reduziert (der Erreger befindet sich im Zustand der Dormanz). Klinisch wird die Infektion mit M. tuberculosis als inapparent bezeichnet, d. h. es finden sich keine diagnostischen Zeichen einer Erkrankung. Diese ist auf den primären Affekt in der Lunge reduziert, enthält aber lebende Mykobakterien (der Wirt befindet sich im Zustand der Latenz). Vom immunologischen Standpunkt aus wird dieses Phänomen eines bakteriellen Überlebens angesichts einer aktiven Immunantwort als Persistenz des Erregers bezeichnet (Definitionen in [45]).

Seit 1998 ist das komplette Genom von M. tuberculosis sequenziert [8], und es ist damit möglich, genetische Faktoren zu untersuchen, die für den Zustand der Persistenz der Mykobakterien essenziell sind. Dies bietet die Blaupause für die Entwicklung neuer antituberkulotischer Medikamente, die nun nicht mehr nur nach ihrer Effektivität selektioniert werden, schnell wachsende Mykobakterien entweder abzutöten (tuberkulozid) oder im Wachstum zu hemmen (tuberkulostatisch), sondern gegen Genprodukte oder Mechanismen gerichtet sind, die für die mykobakterielle Persistenz entscheidend sind (neue Ansätze z. B. in [6, 17]).

Eine vom klinischen und immunologischen Standpunkt zentrale Frage ist, welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, dass M. tuberculosis aus der Dormanz in einen aktiven Zustand übergeht (endogene Reaktivierung), oder generell, welche Faktoren für das Ausbrechen einer aktiven Tuberkulose verantwortlich sind. Retrospektive Studien besonders aus der Zeit in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zeigten, dass (Postprimär)tuberkulosen die primäre Ursache einer endogenen Reaktivierung persistierender Mykobakterien sind [40]. Diese Ergebnisse konnten später vielfach bestätigt werden [36].

Neuere Untersuchungen in Afrika konnten jedoch mit Hilfe von Phagentypisierung und Restriktionsfragmentlängenpolymorphismen (RFLP, DNA-Fingerprinting) belegen, dass der Ausbruch einer aktiven Tuberkulose auch durch eine exogene Reinfektion verursacht werden kann [48]. Epidemiologische Modelle belegen, dass die exogene Reinfektion für die Inzidenz der Tuberkulose in den letzten Jahren eine wichtige Rolle gespielt haben muss [12].

Eine aktive Tuberkulose scheint also über beide Wege—endogene Reaktivierung und exogene Reinfektion—entstehen zu können. Die exogene Reinfektion bei bestehender persistierender mykobakterieller Infektion zeigt eindrücklich, dass ein möglicher neuer Impfstoff das Immunsystem besser aktivieren muss als die natürliche Infektion mit dem Erreger selbst, um den Ausbruch der Erkrankung sicher zu verhindern.

Ob ein Infizierter im Laufe seines Lebens eine aktive Tuberkulose entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab, die sein Immunsystem negativ beeinflussen können: Alter, Unterernährung, HIV-Infektion, immunsuppressive Medikamente und andere Infektionen oder Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es genetische Ursachen für eine Empfänglichkeit für oder einen Schutz gegen Tuberkulose. Es ist zzt. nicht bekannt, welchen relativen Anteil exogene und genetische Faktoren bei der Erkrankung an aktiver Tuberkulose haben und ob das Risiko zu erkranken eher genetisch determiniert oder stochastisch abläuft. Alle Untersuchungen der immunologischen Vorgänge bei der Infektion mit M. tuberculosis haben deshalb das Ziel, Korrelate der Empfänglichkeit und der Protektion zu definieren, die es dann ermöglichen sollen, geeignete Strategien für neue Impfstoffe zu entwickeln.

Implikationen für die Impfstoffentwicklung

Die Wirksamkeit des vorhandenen Impfstoffs, M. bovis BCG (Bacille Calmette Guérin) wird kontrovers diskutiert. Sie reicht von 80% in Großbritannien bis 0% in Indien. Sicher ist, dass eine BCG-Impfung im frühen Kindesalter die gefürchteten schlimmen Verläufe einer tuberkulösen Meningitis und Miliartuberkulose verhindern kann. Die BCG-Impfung bietet jedoch keinen ausreichenden Schutz vor Lungentuberkulose beim erwachsenen Patienten.

Darüber hinaus hat die BCG-Impfung nicht zu einem Rückgang von weltweiter Inzidenz und Prävalenz der Tuberkulose beigetragen, obwohl sie mit mehr als 3 Mrd. Applikationen die weitverbreitetste Impfung überhaupt ist. Die alarmierenden Zahlen der WHO (s. oben) und besonders die Entwicklung von multiresistenter Tuberkulose in Ländern der ehemaligen Sowjetunion und in China machen die Entwicklung besserer Impfstoffe gegen Tuberkulose dringlicher denn je [23].

Bei der Entwicklung eines neuen Impfstoffes ist zu fordern, dass er besser wirksam ist als der vorhandene BCG-Impfstoff. Da weltweit bereits mehr als 2 Mrd. Menschen (jeder 3. der Weltbevölkerung) mit M. tuberculosis infiziert sind, sollte ein neuer Impfstoff den Ausbruch einer aktiven Tuberkulose sicher verhindern, sodass die Infektkette unterbrochen werden kann (postinfektiöser Schutz). Aufgrund der beschriebenen Infektionsstrategien und der Immunantwort ist eine infektionspräventive (also die Infektion selbst verhindernde) Vakzine schwer vorstellbar.

Impfstofftypen

Grundsätzlich sind 2 prinzipielle Typen von Impfstoffen zu unterscheiden: eine sog. Spaltvakzine, also ein Totimpfstoff bestehend aus immunogenen Antigenen von M. tuberculosis, und ein attenuierter Lebendimpfstamm, vergleichbar dem existierenden BCG.

Protektive Antigene

Die Spaltvakzine sollte protektive Antigene aus M. tuberculosis umfassen, also Antigene, die sich in Tiermodellen als schützend gegenüber einer Infektion mit virulenten M. tuberculosis bewährt haben [5]. Die Entzifferung des M.-tuberculosis-Genoms hat die Suche nach protektiven Antigenen erheblich verbessert. Zuverlässige Regeln zur Definition eines protektiven Antigens existieren jedoch nicht. Die folgenden Charakteristika können zur Definition protektiver Antigene herangezogen werden:

  • Spezifische Antigene:

    • Antigene, die spezifisch in M. tuberculosis vorkommen, in anderen Mykobakterien einschließlich BCG aber fehlen, können als Kandidaten für protektive Antigene angesehen werden.

  • Sezernierte Antigene:

    • da sezernierte Antigene im Gegensatz zu intrazellulären (somatischen) Antigenen in APC komplikationslos prozessiert werden können, stellen sie interessante Kandidaten dar.

  • Antigene mit spezifischen biologischen Funktionen:

    • bestimmte Antigene könnten aufgrund ihrer spezifischen Funktion bevorzugt prozessiert und an T-Zellen präsentiert werden.

  • Abundante Antigene:

    • aufgrund ihrer höheren Konzentration können bestimmte Proteine bevorzugt präsentiert werden.

  • Exklusiv während der Infektion exprimierte Antigene:

    • Proteine, die lediglich während der In-vitro-Anzucht exprimiert werden, sind für Vakzinierungen wenig geeignet, umgekehrt könnten primär in vivo exprimierte Antigene attraktive Impfstoffkandidaten darstellen.

  • Früh vs. spät exprimierte Antigene:

    • unter den während der Infektion exprimierten Antigenen sind solche Antigene, die rasch nach der Infektion exprimiert werden, für einen präventiven Impfstoff besonders geeignet, da sie vom ersten Zeitpunkt der Infektion an exprimiert und daher von spezifischen T-Zellen erkannt werden. Ein therapeutischer Impfstoff für infizierte oder evtl. auch erkrankte Impflinge sollte dagegen Wert auf Antigene legen, die während der Dormanz (s. oben) exprimiert werden.

Allein reicht wahrscheinlich keines dieser Kriterien zur Definition eines protektiven Antigens aus. Lediglich die Kombination verschiedener Kriterien kann Richtlinien bei der Suche nach protektiven Antigenen bieten. Auf jeden Fall muss jedoch eine theoretisch gemachte Voraussage durch tierexperimentelle Impfversuche bestätigt werden.

Bisher existieren einige vielversprechende Kandidaten, die für sich allein oder in Kombination eingesetzt eine starke Immunantwort auch mit menschlichen Zellen in vitro hervorrufen. Die komplexe Immunantwort bei der Infektion mit M. tuberculosis eingedenk (s. oben, Abb. 4) muss den Antigenkandidaten allerdings ein starkes Adjuvans beigegeben werden, um eine schützende Immunantwort hervorzurufen und aufrechtzuerhalten.

Anforderungen an Lebendimpfstoff

Ein möglicher neuer Lebendimpfstoff müsste besser schützen als BCG und gleichzeitig mindestens ebenso sicher sein. Dazu gibt es 2 Vorgehensweisen:

  • die Attenuierung von M. tuberculosis durch gezieltes Ausschalten von Virulenzfaktoren,

  • die Verbesserung des vorhandenen BCG-Impfstoffs.

Während ersteres Vorgehen mit erheblichen Risiken belastet ist, lässt letzteres verschiedene Strategien zu. Bei der Attenuierung von M. tuberculosis muss auf jeden Fall berücksichtigt werden, dass nicht nur konventionelle Virulenzfaktoren, die den Wirt direkt schädigen, ausgeschaltet werden, sondern auch immunsupprimierende Faktoren. Die Immunsuppression durch M. tuberculosis ist gut belegt (Übersicht in [14]).

Die Verbesserung des BCG-Impfstoffs verfolgt wiederum 2 Strategien. Im 1. Fall wird versucht, BCG mit M.-tuberculosis-spezifischen Antigenen zu bestücken, die dem Impfstoff fehlen oder von ihm ungenügend exprimiert werden. Im Vergleich zu M. tuberculosis fehlen dem Impfstoff BCG 129 offene Leseraster, die nicht nur für den Virulenzverlust verantwortlich sind, sondern theoretisch auch bedeutende protektive Antigene kodieren. Ein rekombinanter BCG-Impfstamm, der das Antigen 85 überexprimiert, zeigte in Tierexperimenten einen deutlich besseren Schutz als der Wildtyp-BCG-Stamm. Antigen 85 wird zwar von BCG exprimiert, jedoch nur in geringen Mengen.

Ein weiteres Ziel der Manipulation an BCG ist die verbesserte Antigenpräsentation. BCG aktiviert vornehmlich CD4+ T-Zellen, daher sollte versucht werden, durch verbesserte Antigeneinschleusung in den MHC-Klasse-I-Weg die CD8-T-Zellantwort zu optimieren (s. oben). Rekombinantes BCG, das Listeriolysin exprimiert (rBCG-Hly), ist in der Lage, mit Hilfe dieses Faktors aus Listeria monocytogenes mykobakterielle Antigene auf MHC-Klasse-I-Molekülen darzubieten. Experimente in Tiermodellen haben ergeben, dass rBCG-Hly besser vor Infektion mit M. tuberculosis schützt als Wildtyp-BCG ([19] und eigene unveröffentlichte Daten). Schließlich wurden rekombinante BCG-Stämme konstruiert, die Zytokine exprimieren, welche die TH1-Zellbildung fördern (IL-2, IL-18; [3, 51]).

Prime-boost-Impfschema

Eine weitere Verbesserung der Impfstrategie liegt in der Entwicklung von heterologen Prime-boost-Impfschemen. In Tiermodellen zeigten verschiedene Prime-boost-Impfschemen bereits vielversprechende Ergebnisse. Von besonderer Bedeutung aber ist die heterologe Prime-boost-Impfung, die auf einer BCG-Erstimpfung beruht. Trotz der schlechten Ergebnisse der BCG-Vakzinestudien (s. oben) kann dieser Impfstoff nicht voreilig aufgegeben werden. Insbesondere aufgrund der guten Erfahrungen mit BCG bei der Neugeborenenimpfung sollten neue Impfkandidaten bei Impflingen erprobt werden, die bereits eine BCG-Impfung erhalten hatten. Bei diesen Impflingen können die neuen Impfkandidaten auf dem BCG-Prime aufbauend als heterologe Boosterinjektion evaluiert werden.

Ausblick

Das intrazelluläre Überleben von M. tuberculosis und seine Persistenz über lange Zeiträume im Wirt stellen die zentralen Herausforderungen an das Immunsystem dar. In mehr als 90% der Infektionen ist ein kompetentes Immunsystem in der Lage, den Erreger lebenslänglich in Schach zu halten. Wenn es uns gelingt, die komplexen Mechanismen des Wechselspiels zwischen Erreger und der zellvermittelten Wirtsabwehr besser zu verstehen und Korrelate der Protektion zu definieren, können wir sowohl therapeutische als auch präventive Strategien entwickeln, um auch die restlichen 10% der Fälle vor aktiver Tuberkulose zu bewahren.

Fazit für die Praxis

Obwohl einige Impfstoffkandidaten in der präklinischen Phase bereits zu vielversprechenden Ergebnissen führten, benötigt die Weiterentwicklung eines neuen Tuberkuloseimpfstoffs bis zum Einsatz beim Menschen noch mehrere Jahre. Bis dahin bleibt nur, die Immunologie der Tuberkuloseinfektion besser verstehen zu lernen und die Tuberkulose mit den vorhandenen Mitteln einer sicheren Diagnostik und einer wirksamen Kombinationstherapie zu bekämpfen.