Hinführung zum Thema

Verschiedene Vorkommnismeldungen im Zusammenhang mit Beatmungsgeräten, Monitoren und Spritzenpumpen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) deuten darauf hin, dass die sichere Bedienung von Geräten beeinträchtigt sein kann, wenn in einer Klinik für dieselbe Funktion unterschiedliche Gerätemodelle verwendet werden. Um diese Gefährdung besser einschätzen zu können, wurde ermittelt, wie typisch derartige Gefährdungssituationen für den klinischen Alltag sind. Dazu wurde erfasst, wie viele unterschiedliche Modelle derselben Gerätegruppe in deutschen Krankenhäusern typischerweise verwendet werden, und welche Erfahrungen Anwender mit derartigen Situationen haben.

Hintergrund

Dem BfArM wurde im Rahmen einer Vorkommnismeldung gemäß Medizinproduktesicherheitsplanverordnung (MPSV, [8]) ein Ereignis gemeldet, bei dem eine suffiziente Beatmung eines Patienten im Status asthmaticus mit einem Beatmungsgerät nicht möglich war. Es stellte sich heraus, dass die effektiv vom Gerät verwendeten Beatmungsdrücke für die druckkontrollierte Beatmung unterhalb der vom Anwender eingestellten Werte lagen und dies dem Anwender zunächst nicht bewusst war. Die vom Anwender am Gerät eingegebenen Beatmungsdrücke lagen über den voreingestellten Alarmgrenzen des Geräts. Ursächlich hierfür war, dass das Gerät bei der Eingabe auch Beatmungsdrücke akzeptiert, die über der hinterlegten Alarmgrenze liegen. Bei Erreichen dieser Druckalarmgrenze wird der Atemhub trotz höher eingestellten Spitzendrucks terminiert. Der tatsächlich applizierte Druck wird vom Gerät angezeigt. Im konkreten Fall richtete der Anwender seine Aufmerksamkeit jedoch zunächst nicht auf diese Anzeige, sondern suchte die Ursache für die insuffiziente Beatmung beim Patienten. Dieses Szenario enthält unter anderem Merkmale eines Fixierungsfehlers. Unter einem Fixierungsfehler versteht man das Festhalten an einer Situationsbewertung oder einer einmal gewählten Handlungsabfolge, obwohl in der Situation Hinweise verfügbar sind, die eine Neubewertung der Situation bzw. Änderung der Handlungsabfolge nahelegen [1]. Zu den Faktoren, die das Auftreten von Fixierungsfehlern begünstigen, gehören u. a. ein situativ eingeschränkter Aufmerksamkeitsfokus (z. B. durch die kognitiven Anforderungen der Aufgabe) und begrenztes oder (situativ) schlecht zugängliches Wissen [1]. Laut Angaben des Anwenders kann bei anderen in der Klinik verwendeten Beatmungsgeräten keine Beatmungseinstellung gewählt werden, die von den Alarmeinstellungen begrenzt wird. Bei der Interaktion mit dem Beatmungsgerät könnten also Erwartungen eine Rolle gespielt haben, die auf Erfahrungen mit anderen Beatmungsgeräten basierten. Das auf diesen Erfahrungen basierende Wissen war offenbar leichter zugänglich als das im konkreten Fall tatsächlich relevante Wissen. Weitere Vorkommnismeldungen deuten auf ähnliche Zusammenhänge hin.

Hersteller von Medizinprodukten sind gesetzlich verpflichtet, ihre Produkte so zu gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit für Fehler bei der Anwendung minimiert wird (siehe z. B. Annex 1, I, 1, EU Medizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWG, [13]). Insbesondere bei komplexen Produkten und komplexen Anwendungskontexten ist es allerdings unwahrscheinlich, dass sich alle Aspekte einer sicheren und ordnungsgemäßen Anwendung vollständig aus Merkmalen des Produkts selbst ergeben. Vielmehr müssen die vorgesehenen Anwender für einen sicheren Umgang mit dem Produkt über ein bestimmtes Wissen verfügen. Die zum Aufbau des spezifischen gerätebezogenen Wissens erforderlichen Informationen muss der Hersteller dem Produkt in Form einer Gebrauchsanweisung beifügen (Annex 1, I, 13, EU-Medizinprodukte Richlinie 93/42/EWG, [13]). Zur Anwendung bestimmter aktiver Medizinprodukte, zu denen auch Beatmungsgeräte gehören, muss zudem eine explizite Einweisung anhand der Gebrauchsanweisung erfolgen (§ 10 MPBetreibV, [7]). Aus regulatorischer Sicht stellen die in der Gebrauchsanweisung enthaltenen Informationen somit eine wesentliche Quelle des zur sicheren Anwendung erforderlichen, spezifischen Gerätewissens dar. Es ist allerdings davon auszugehen, dass zu den vom Anwender mit einem bestimmten Produkt assoziierten Informationen nicht nur die in der zugehörigen Gebrauchsanweisung aufgelisteten Informationen gehören. Daher müssen die Hersteller sowohl bei der Gestaltung der Produkte selbst als auch bei der Gestaltung der Gebrauchsanweisung ebenso das Wissen berücksichtigen, das die vorgesehenen Anwender über ihre Erfahrungen und durch Aus- und Weiterbildung aufgebaut haben (Annex 1, I,1, EU-Medizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWG, [13]). Zum Gerätewissen der Anwender tragen natürlich auch ihre Erfahrungen mit anderen Medizinprodukten bei. Auch das so erworbene Wissen kann zu einer sicheren Anwendung beitragen. Das oben beschriebene Beispiel zeigt jedoch, dass solches Wissen auch zu einer Gefährdung des Patienten führen kann. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn im Zusammenhang mit einen bestimmten Gerät Informationen abgerufen werden, die auf dieses Gerät nicht zutreffen, diese Informationen dann aber das Verhalten des Anwenders bestimmen und es dadurch zu einer Fehlbedienung kommt.

Eine zentrale Rolle beim Abruf von Gedächtnisinhalten spielen die assoziativen Verknüpfungen der aktivierten Information mit den Hinweisreizen der Abrufsituation [14]. Verfügt ein Anwender also über Wissen zu einem anderen als dem aktuell verwendeten Gerät, wird dieses Wissen mitaktiviert, v. a., wenn die Geräte grundsätzlich ähnlich sind und in ähnlichen Situationen verwendet werden. In Situationen, in denen die falsche Information leichter zu aktivieren ist als die entsprechende zutreffende Information, kann es dann dazu kommen, dass Erstere – und nicht Letztere – das Verhalten bestimmt. Erklärungen für eine leichtere Aktivierbarkeit könnten etwa eine stärkere assoziative Verknüpfung der falschen Information mit dem generellen Abrufkontext sein (z. B. wenn mit dem anderen Gerät insgesamt häufiger gearbeitet wird) oder eine situativ bedingte Voraktivierung der falschen Informationen (z. B. wenn mit dem anderen Gerät kürzlich gearbeitet wurde).

Befragung von Kliniken

In Spontanmeldesystemen wie z. B. „Critical-incident-reporting“-Systemen (CIRS) oder dem in der MPSV gesetzlich vorgeschriebenen Vorkommnismeldesystem erfasste Vorkommnismeldungen liefern qualitative Hinweise auf Gefährdungssituationen – hier die „Fehlbedienung eines Gerätes aufgrund von Erfahrungen mit anderen, funktionsgleichen Geräten“. Um diese Gefährdung besser einschätzen zu können, wurde ermittelt, wie typisch derartige Gefährdungssituationen für den klinischen Alltag sind. Dazu wurde zunächst erfasst, wie viele unterschiedliche Modelle derselben Gerätegruppe in deutschen Krankenhäusern typischerweise verwendet werden, also die organisatorischen Rahmenbedingungen, die Einfluss auf aktuell relevante Erfahrungen der Anwender mit unterschiedlichen Gerätemodellen haben. Dabei lag der Fokus zunächst auf den medizinischen Geräten in Kliniken, und es wurde eine Fragebogenstudie unter Medizintechnikern in deutschen Kliniken mit Intensivstationen durchgeführt. Es wurde davon ausgegangen, dass die Medizintechniker den besten Gesamtüberblick über die in einer Klinik verwendeten Geräte haben.

Befragung von Kliniken – Methodik

Der Fragebogen wurde von der Forschungsgruppe „Methodenforschung Medizinproduktesicherheit“ des BfArM entwickelt und an ausgewählte Mitglieder des Arbeitskreises Medizintechnik NRW pilotiert. Die Fragebogen wurden anschließend über die Deutsche Krankenhausgesellschaft und ihre Mitgliedsverbände verteilt. Das beiliegende Anschreiben war zunächst an die Klinikleitung gerichtet und konnte von dieser an die lokale Medizintechnik weitergeleitet werden. Die Weiterleitung wurde als Einverständnis der Klinikleitung in die Teilnahme angesehen.

Für eine Reihe von auf Intensivstationen verwendeten Geräten [5] wurde erfragt, von welchen Herstellern die auf den Intensivstationen der Klinik vorhandenen Gerätemodelle jeweils stammen (Zusatzmaterial online: Fragebogen „Geräte auf Intensivstationen“). Speziell gefragt wurde nach Patientenmonitoren, Beatmungsgeräten, Infusions- und Spritzenpumpen, Ernährungspumpen, Hämofiltrationsgeräten und Geräten zur extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO). Die ersten 3 dieser Gerätegruppen sollten für jeden Bettplatz einer Intensivstation verfügbar sein [6].

Befragung von Kliniken – Ergebnisse

An der Studie beteiligten sich 58 Kliniken mit insgesamt 2117 Betten zur intensivmedizinischen Versorgung. Unser Fragebogen macht damit Aussagen über etwa 5 % aller deutschen Kliniken mit Betten zur intensivmedizinischen Versorgung bzw. über ca. 8 % der Intensivbettenplätze (Tab. 1). Zur Charakterisierung der Stichprobe von Kliniken wurde zur maximalen Wahrung der Anonymität lediglich nach der Bettenklasse gefragt. Es nahmen Kliniken über nahezu das gesamte Größenspektrum teil (Ausnahme: Kliniken mit weniger als 100 Betten). Im Vergleich zu allen Kliniken mit Betten zur intensivmedizinischen Versorgung in Deutschland [15] waren Kliniken mit weniger als 150 Betten in unserer Stichprobe unterrepräsentiert und Kliniken mit mehr als 800 Betten überrepräsentiert (Tab. 1).

Tab. 1 Charakterisierung der teilnehmenden Kliniken anhand ihrer Bettenzahl und Vergleich mit Kliniken mit Betten zur intensivmedizinischen Versorgung in Deutschland

Der Prozentsatz an Kliniken, in denen Geräte von mehr als einem Hersteller verwendet wurden, variierte zwischen den Gerätegruppen. Besonders hoch war die Diversität bei Beatmungsgeräten, gefolgt von Infusions‑/Spritzenpumpen und Patientenmonitoren. Für Ernährungspumpen, Hämofiltrations- und ECMO-Geräte wurden hingegen selten Modelle unterschiedlicher Hersteller in einer Klinik verwendet (Tab. 2; Abb. 1).

Tab. 2 Anteile von Kliniken, die Geräte unterschiedlicher Hersteller verwenden, und Anteile von Intensivstationen, auf denen unterschiedliche Gerätemodelle verwendet werden, separat für die einzelnen Gerätegruppen (95 %-Konfidenzintervall in Klammern)
Abb. 1
figure 1

a Anteil der Kliniken mit Geräten von mehr als einem Hersteller als Funktion der Gerätegruppe. Fehlerbalken geben das 95 %-Konfidenzintervall an. b Prozentuale Verteilung der Kliniken über verschiedene Herstelleranzahlen, separat für Beatmungsgeräte, Infusions‑/Spritzenpumpen und Biomonitore. ECMO extrakorporale Membranoxygenierung

In 38 der 58 Fragebogen gaben die Antwortenden ihre subjektive Einschätzung zur Frage ab, ob es durch die Verwendung unterschiedlicher Modelle zu Fehlern/Unsicherheiten in der Bedienung kommen kann. In 28 der 38 Antworten wurde dieser Aussage zugestimmt. Allerdings gaben nur 5 der 38 Antwortenden an, Kenntnis über tatsächliche Vorfälle in der eigenen Klinik zu haben. Zudem beschrieben einzelne Antwortende, wie die Problematik durch ihre jeweilige Klinik gelöst wird. Die aufgeführten Lösungen waren die Vereinheitlichung des Geräteparks und die Durchführung regelmäßiger Einweisungen. Auch weitere negative Konsequenzen einer großen Herstellervielfalt wurden genannt: der Mehraufwand bei Einweisungen und die aufwendigere Lagerhaltung für Zubehör.

Die Perspektive der Anwender – Methodik

Die Anzahl der in einer Klinik vorhandenen Hersteller für eine Gerätegruppe stellt natürlich nur einen Aspekt innerhalb der strukturellen bzw. organisatorischen Rahmenbedingungen dar. Ob dies bedeutet, dass Anwender tatsächlich mit unterschiedlichen Geräten arbeiten müssen, lässt sich daraus nicht unmittelbar ableiten, auch wenn dies sehr wahrscheinlich ist. Auch ist unklar, ob die in den Vorkommnismeldungen beschriebenen fehlerhaften Interaktionen der Anwender mit den Geräten Einzelfälle darstellen oder ob derartige Bedienprobleme im klinischen Alltag häufiger auftreten. Daher ist es unseres Erachtens essenziell, die Ergebnisse zur strukturellen Situation durch die Perspektive der Anwender zu ergänzen. Um einen ersten Einblick zu erhalten, wurde ein Fragebogen entwickelt und den Mitarbeitern der Abteilung für Anästhesiologie einer deutschen Uniklinik vorgelegt (Zusatzmaterial online: Fragebogen „Subjektive Einschätzung der Anwender“).

Die Perspektive der Anwender – Ergebnisse

Es nahmen 61 der 132 Ärzte der Abteilung an der Befragung teil. Eine abgeschlossene Facharztweiterbildung hatten 32 Teilnehmer. Fast alle gaben an, schon mit unterschiedlichen Modellen einer Gerätegruppe gearbeitet zu haben (57 von 61). Am häufigsten genannt wurden dabei die Gerätegruppen Beatmungs- bzw. Narkosegeräte, Spritzenpumpen und Patientenmonitore. Von den Befragten, die mit unterschiedlichen Modellen arbeiteten oder gearbeitet hatten, gaben 53 an, in mehr als ein Modell eingewiesen zu sein, 38 sogar in jedes einzelne Modell. Die überwiegende Mehrheit der Anwender, die eine Einweisung in mehr als ein Gerätemodell erhalten hatten, gaben zudem an, im Rahmen der Einweisung auf Unterschiede zwischen den Modellen hingewiesen worden zu sein (41 von 53).

Etwa zwei Drittel der Teilnehmer (40 von 61) berichteten, Fehler oder Unsicherheiten im Umgang mit Geräten erlebt zu haben, die sie auf Erfahrungen mit unterschiedlichen Geräten zurückführten. Die erlebten Bedienprobleme wurden von 24 der Teilnehmer näher erläutert. Als spezifische Ursachen wurden u. a. besonders fehlerträchtige Modellkonstellationen von Beatmungs‑/Narkosegeräten sowie unterschiedliche Konfigurationen von ansonsten identischen Spritzenpumpen (Angabe der Medikamentendosis bei Katecholaminen in „ml/min“ in der einen und „µg/min“ in der anderen Fachabteilung) aufgeführt. Als weiterer wichtiger Aspekt wurde mehrfach die fehlende Routine im Umgang mit selten verwendeten Geräten hervorgehoben. Auch machten einige Teilnehmer Angaben zu den Konsequenzen der Bedienprobleme. Genannt wurden im Speziellen der Zeitverlust beim Identifizieren der korrekten Bedienschritte und das Betreiben der Geräte mit falschen Einstellungen. Tatsächlich aufgetretene Patientenschädigungen wurden im Rahmen dieser Befragung nicht erwähnt.

Die Teilnehmer schlugen unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für die Probleme vor. Die meisten Vorschläge bezogen sich auf den Einflussbereich der Klinik, allen voran Forderungen bezüglich der verpflichtenden Einweisungen für alle im Tätigkeitsbereich verwendeten Geräte (19 Nennungen): Diese Einweisungen sollten zeitnah zur Verwendung stattfinden und regelmäßig aufgefrischt werden. Darüber hinaus sprachen sich viele Teilnehmer für eine klinikweite Standardisierung der verwendeten Geräte aus (15 Nennungen) und dafür, die in der Klinik verwendeten Geräte einheitlich zu programmieren/konfigurieren (z. B. bei Spritzenpumpen; 7 Nennungen). Darüber hinaus hielten es einige Teilnehmer für sinnvoll, das Design der Geräte zu vereinheitlichen, z. B. auf normativer Ebene (15 Nennungen).

Immerhin fast zwei Drittel der befragten Ärzte (39 von 61) gaben an, auch Vorteile im Vorhandensein unterschiedlicher Modelle zu sehen. Konkret wiesen die Anwender auf die Möglichkeit hin, damit auf unterschiedliche Situationen (z. B. Transport, Notfall) oder Patientengruppen (z. B. Kinder) jeweils optimal reagieren zu können (10 Nennungen). Auch wurden Vorteile für die persönliche Weiterbildung sowie ein wahrgenommener positiver Einfluss auf das individuelle Geräteverständnis durch das Arbeiten mit unterschiedlichen Modellen angeführt (11 Nennungen).

Diskussion

Verschiedene Vorkommnismeldungen an das BfArM deuten darauf hin, dass die Verwendung unterschiedlicher Gerätemodelle für dieselbe Funktion die sichere Bedienung der Geräte beeinträchtigen kann. Dies ist auch theoretisch plausibel. Die Befragungen von Medizintechnikern und Anwendern lassen auf ein nichtunerhebliches Potenzial für derartige Bedienprobleme schließen. Vor allem für Beatmungsgeräte, aber auch für Spritzenpumpen und Patientenmonitore werden in vielen Kliniken Modelle unterschiedlicher Hersteller verwendet – und nahezu alle befragten Anwender gaben an, schon einmal mit unterschiedlichen Gerätemodellen gearbeitet zu haben. Auch wenn im Rahmen unserer Befragung keine daraus resultierenden Patientenschädigungen berichtet wurden, werden diese doch durch die dem BfArM gemeldeten Vorkommnisse veranschaulicht (z. B. Hypoventilation wie im beschrieben Beispiel).

Auffällig ist, dass sich die Anzahl unterschiedlicher Hersteller zwischen den Gerätegruppen unterscheidet. Für Ernährungspumpen, Hämodialyse- und ECMO-Geräte verwendete nur ein geringer Anteil an Kliniken Geräte unterschiedlicher Hersteller; möglicherweise, weil aus diesen Gerätegruppen – wenn sie überhaupt vorhanden sind – insgesamt weniger Geräte auf den Intensivstationen vorgehalten werden. Warum die Herstellerdiversität bei Beatmungsgeräten deutlich über der von Patientenmonitoren und Spritzenpumpen liegt, lässt sich damit allerdings nicht erklären – hier sollten andere Ursachen eine Rolle spielen. So ist denkbar, dass die Verfügbarkeit von unterschiedlichen Gerätemodellen speziell für Beatmungsgeräte klinische Vorteile mit sich bringt oder ein attraktives Marktumfeld für Beatmungsgeräte zu einem hohen Produktangebot führt. Ob dies oder andere Faktoren ursächlich sind, sollten zukünftige Untersuchungen klären, da hiervon abhängt, wie das entsprechende Risiko adressiert werden kann – also welche Lösungsmöglichkeiten genutzt werden können.

Als Lösungsmöglichkeiten wurden sowohl von der Medizintechnik als auch von Ärzten mehrheitlich ein einheitlicher Gerätepark innerhalb der Klinik und regelmäßige und wiederholte Einweisungen genannt. Ersteres entspricht einer Anpassung der äußeren, organisatorischen Rahmenbedingungen und sollte daher die Wahrscheinlichkeit entsprechender Fehlbedienungen umfassend und langfristig beeinflussen. Letzteres zielt auf das semantische und prozedurale Wissen einzelner Anwender ab und muss daher kontinuierlich erneuert und wiederholt werden (Abb. 2; [12, 16]). Für beide Lösungsvorschläge gilt, dass die tatsächliche Wirksamkeit solcher Maßnahmen von weiteren Details abhängt, etwa davon, wie genau die Einweisungen aussehen oder was genau man unter einem „einheitlichen“ Gerätepark versteht.

Abb. 2
figure 2

Schematische Einordnung der Lösungsvorschläge in das soziotechnische System zur Anwendung medizinischer Geräte

Einweisungen für alle verwendeten Gerätemodelle sind grundsätzlich notwendig und daher gesetzlich vorgeschrieben (§ 10 MPBetreibV, [7]), um zentrale Aspekte des spezifischen Gerätewissens zu vermitteln, die wiederum Grundlage für eine sichere Anwendung sind. Einmalige, auch intensive Lernepisoden garantieren jedoch keine langfristige Speicherung. Vielmehr muss das Wissen in weiteren Lernepisoden konsolidiert werden – etwa im Rahmen der regelmäßigen Verwendung der jeweiligen Geräte. Aus der Gedächtnisforschung ist bekannt, dass verteilte Lernepisoden im Vergleich zu einer einzigen, intensiven Lernepisode zu besseren Gedächtnisleistungen führen, insbesondere zu einem verbesserten kontrollierten Abruf aus dem Gedächtnis [4, 10, 11]. Regelmäßige und nicht zu seltene Wiederholungseinweisungen könnten dazu beitragen, dies auch für selten verwendete Geräte zu erreichen und ein sicheres Bedienen zu ermöglichen. Aus gedächtnispsychologischer Sicht ist zudem auf die Bedeutung der Passung zwischen Lern- und Abrufbedingungen hinzuweisen – sowohl hinsichtlich der Art der Informationsverarbeitung [9] als auch hinsichtlich des Lernkontextes [3]. Entsprechend gewinnen Einweisungen, die mit dem Training komplexer klinischer Szenarien in Simulationszentren verknüpft sind, in der Anästhesiologie zunehmend an Bedeutung und führen hierbei nachweislich zu einem höheren Sicherheitsstandard in der Patientenversorgung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass komplexe Geräte nicht nur viele unterschiedliche Funktionen haben, sondern dass der Effekt einer Anwendereingabe hier oft von weiteren, teilweise für den Anwender nichtersichtlichen Faktoren abhängt (u. a. vom Vorliegen zusätzlicher, teilweise versteckter Einstellungen oder von herstellerspezifischen Algorithmen). Um das entsprechende Wissen auch für diese Gerätemerkmale aufzubauen, erscheint es daher ratsam, im Rahmen von Einweisungen spezifische Unterschiede zwischen den vorhandenen Modellen sowie daraus resultierende Risiken besonders hervorzuheben. Die Einweisung für Gerät a sollte also idealerweise davon abhängen, ob dieses Gerät allein, parallel mit einem anderen Modell a′ desselben Herstellers oder parallel mit Gerät b eines anderen Herstellers verwendet wird. Bei den Unterschieden sollten auch selten verwendete Gerätefunktionen und weniger häufig auftretende Bedienbedingungen berücksichtigt und regelmäßig trainiert werden. Dies in die alltägliche Praxis umzusetzen, wird eine Herausforderung darstellen – schließlich gibt es Hinweise darauf, dass selbst die allgemeine Einweisung in die Geräte nicht regelmäßig und lückenlos gegeben ist [2]. Zudem können regelmäßige und angemessen durchgeführte Einweisungen zwar dazu beitragen, das zur sicheren Gerätebedienung erforderliche Wissen aufzubauen. Dies allein ist jedoch nicht hinreichend, um das richtige Wissen später in jeder Situation gezielt abrufen zu können. Probleme sind v. a. dann zu erwarten, wenn Abrufbedingungen für unterschiedliches Wissen (hier: unterschiedliches Geräteverhalten) sehr ähnlich sind (verschiedene Modellversionen desselben Herstellers): Dann kann die Diskrimination zwischen den jeweils assoziierten Gedächtniseinträgen den Abruf verzögern oder verhindern. Noch problematischer erscheint es, wenn eine der Gedächtnisspuren generell oder situativ bedingt stärker aktiviert ist als die andere. Letzteres kann insbesondere in Situationen zu einer (automatischen) Aktivierung des falschen Wissens führen, in denen die zur Verfügung stehende Aufmerksamkeits- oder Arbeitsgedächtniskapazität anderweitig ist belegt ist – ohne dass dies bemerkt wird.

Basierend auf der Annahme, dass unterschiedliche Geräte eines Herstellers mit großer Wahrscheinlichkeit demselben Bedienkonzept folgen, sollte eine diesbezügliche Vereinheitlichung des Geräteparks – als Anpassung der organisatorischen Rahmenbedingungen – Fehlbedienungen durch unterschiedliche Bedienkonzepte effektiver begegnen können als Maßnahmen, die auf das Verhalten einzelner Anwender abzielen. Allerdings kommt es dabei auf die genaue Gerätekonstellation an, also mit welchen Modellen von welchen Herstellern ein Anwender arbeiten muss. Auch bei einer Beschränkung auf nur einen Hersteller lassen sich Unterschiede im Verhalten der einzelnen Gerätemodelle nicht ausschließen, und selbst bei einer Beschränkung auf nur einen Modelltyp können verschiedene Geräte unterschiedlich konfiguriert sein. Solche Unterschiede erscheinen aus theoretischer Sicht besonders kritisch, weil die Bediensituation in diesen Fällen noch weniger Hinweise (etwa über das äußere Design des Geräts) auf unterschiedliches Geräteverhalten bereithält. Ein vollkommen einheitlicher Gerätepark birgt jedoch auch Risiken, da z. B. bei einem Rückruf im Fall eines schwerwiegenden Produktmangels alle vorhandenen Geräte betroffen sind. Es sind also Situationen denkbar, in denen das Vorhandensein unterschiedlicher Gerätemodelle zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit beitragen kann. Zudem sahen die Anwender weitere klinische Vorteile in der Verwendung unterschiedlicher Gerätemodelle: Dies könne medizinisch sinnvoll sein, um z. B. spezifische Anforderungen an die Geräte für unterschiedliche Patientengruppen und unterschiedliche klinische Situationen besser abbilden zu können. Inwieweit sich diese subjektiv beschriebenen Vorteile objektivieren lassen – und wie groß der tatsächliche Nutzen im Vergleich zum Risiko durch daraus entstehende Bedienprobleme ist – bleibt zu untersuchen. Zudem wäre zu hinterfragen, ob funktionale Besonderheiten von Geräten tatsächlich an Unterschiede in der Bedienung und im sonstigen Geräteverhalten gekoppelt sein müssen, oder ob – zumindest für Funktionen mit hohem Gefährdungspotenzial (z. B. die notfallmäßige Inbetriebnahme eines Beatmungs‑/Narkose-Beatmungs-Geräts aus dem Stand-by-Modus) – sogar eine Vereinheitlichung über Hersteller hinweg in Betracht gezogen werden kann. Auf Anregung des BfArM wird das zuständige nationale Normungsgremium „Anästhesie und Beatmung“ das Thema diskutieren.

Vermutlich beeinflussen jedoch nicht nur Faktoren die Auswahl und Zusammenstellung der Geräte, die aus Anwendersicht Vorteile bieten, sondern auch andere, für die betroffene Klinik spezifische Gründe (z. B. ökonomische Faktoren). Wenn sich hierdurch im Einzelfall die Notwendigkeit der Verwendung unterschiedlicher Modelle ergibt, müssen die resultierenden Risiken unbedingt angemessen adressiert werden. Da allerdings die Situation bezüglich der Gerätediversität in den Kliniken sehr unterschiedlich ist, sollten dabei in jedem Fall bei dem jeweiligen Betreiber individuelle Lösungen in Betracht gezogen werden.

Aufgrund der geringen Zahl der teilnehmenden Kliniken sind Schätzungen der Anteile von Kliniken, die funktionsgleiche Geräte unterschiedlicher Hersteller verwenden, nur innerhalb recht großer Konfidenzintervalle möglich. Allerdings implizieren selbst die Untergrenzen dieser Konfidenzintervalle, dass in etwa der Hälfte der Kliniken Beatmungsgeräte von mehr als einem Hersteller vorhanden sind. Wie gut die hier beschriebenen Befunde die Situation in sämtlichen deutschen Kliniken abbilden, bleibt zu klären. In unserer Befragung von Medizintechnikern waren eher kleine Kliniken unterrepräsentiert, während große Kliniken überrepräsentiert waren. Explorative Analysen zeigten allerdings, dass das aktuelle Befundmuster nahezu unverändert blieb, wenn sehr kleine und sehr große Kliniken aus der Analyse ausgeschlossen wurden, sodass unserer Ansicht nach die Aussagekraft der Befunde nicht infrage gestellt ist. In die ergänzend durchgeführte Befragung von Ärzten wurde aus praktischen Gründen zunächst nur eine Abteilung einer Universitätsklinik einbezogen. Diese Befragung sollte einen ersten Einblick in die Perspektive der Anwender liefern und als Ausgangspunkt für weitere, spezifischere Studien dienen.

Schlussfolgerung und Ausblick

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die parallele Verwendung von unterschiedlichen Gerätemodellen für dieselbe Funktion in deutschen Kliniken keine Seltenheit ist. Ein Zusammenhang dieser Gerätediversität mit Fehlern und Unsicherheiten bei der Bedienung ist gedächtnis- bzw. kognitionspsychologisch plausibel. Um dies auch empirisch nachzuweisen, sind allerdings weitere Studien erforderlich. Aufgrund der multifaktoriellen Entstehung von Fehlern ist dabei davon auszugehen, dass ein solcher Nachweis nur unter kontrollierten Versuchsbedingungen (etwa im Rahmen von Simulationen oder gedächtnispsychologischen Experimenten) zu erbringen ist. Eine weitere Möglichkeit, das Gefährdungspotenzial durch das Arbeiten mit unterschiedlichen Gerätemodellen zu spezifizieren, wäre es, die im Einzelnen in einer Klinik kombinierten Modelle zu ermitteln und im Hinblick auf besonders kritische Funktionen zu vergleichen. Basierend auf den hier vorgestellten Ergebnissen erscheint dies besonders sinnvoll für Beatmungsgeräte (bzw. Narkose-Beatmungs-Geräte) und Spritzenpumpen. Aus Sicht der von uns befragten Anwender bringt das Vorhandensein unterschiedlicher Gerätemodelle auch verschiedene Vorteile mit sich, z. B. für die Versorgung bestimmter Patientengruppen. Diesbezüglich wäre es wichtig, die klinikspezifischen Gründe für die Verwendung unterschiedlicher Modelle zu erfassen, da diese entscheidend dafür sind, welche Lösungsmöglichkeiten infrage kommen. Um zudem ein umfassenderes Bild der Anwenderperspektive zu erhalten, sollten Anwender weiterer Fachabteilungen und Kliniktypen berücksichtigt werden und die Befragung auf weitere Anwendergruppen ausgeweitet werden (z. B. Pflegekräfte).

Fazit für die Praxis

  • Viele Kliniken verfügen für eine Funktion über Geräte mehrerer Hersteller (z. B. Beatmungs‑, Narkosegeräte, Patientenmonitore etc.).

  • Diese Gerätediversität kann aus theoretischer Sicht sowie nach Einschätzung der von uns befragten Anwender Fehler und Unsicherheiten bedingen, jedoch auch verschiedene Vorteile mit sich bringen (z. B. in der Versorgung bestimmter Patientengruppen).

  • Lösungsmöglichkeiten könnten in regelmäßigen und wiederholten Einweisungen (z. B. mit Fokus auf lokale Besonderheiten innerhalb der Klinik) und Standardisierungen der Geräte (sowohl innerhalb der Klinik als auch auf normativer Ebene) bestehen.

  • Zugrunde liegende klinische und ökonomische Überlegungen bei der Anschaffung von neuen Geräten sollten gegenüber den Risiken abgewogen werden.